Archiv für den Monat: Januar 2007

Hubert Fichte – „abgewickelt“

70. Geburtstag im März 2005, 20. Todestag im März 2006: Hörbücher mit Fichte-Texten erscheinen zum ersten Mal, Nachgelassenes wird veröffentlicht, die Geschichte der Empfindlichkeit endlich abgeschlossen, eine Fülle von Sekundärliteratur… Fast schien es so, als erlebte der schwule Hamburger Autor – wenn auch als Beat-Poet missverstanden – ein kleines Comeback.

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„ist das denn so wichtig?“ – Schwules in Biografien

Ich hoffe, die Kollegen bei „Klartext“ schämen sich gehörig für die Peinlichkeiten ihrer Lamm-Biografie, über die Detlef Grumbach mit so viel Verve gewettert hat! Vor einigen Jahren wurde mit dem norwegischen „Weltliteraten“ Jens Bjoerneboe allerdings noch eigenartiger verfahren: die Biografie von Wandrup ließ das Thema Homosexualität gleich ganz außen vor, was umso mehr erstaunt, als sie im Merlin-Verlag erschienen ist, der durch seine bahnbrechenden Ausgaben von Jean Genet und de Sade nun wirklich über den Vorwurf der Prüderie erhaben ist.
Bjoerneboe war lange Zeit mit dem jungen Autor Gudmund Vindland befreundet, „ist das denn so wichtig?“ – Schwules in Biografien weiterlesen

Heteronormatives Word

Wenn ich so wenig im Blog bin, liegt das daran, dass ein Verlag ein Saisonbetrieb ist – wie ein Spargelbauer. Es werden also gerade die Frühjahrstitel angehäufelt, korrekturgelesen, gesetzt, druckfertig gemacht. Das kostet viel Zeit.

In einem wissenschaftlichen Sammelband geht es um Heteronormativität und Männlichkeiten. Was es da alles gibt! Ich lese aufmerksam und das schwierige Wort flutscht mir schon beinahe im Schlaf richtig aus den Fingern in die Tastatur – Heteronormativität. Ich find das klasse.

Dann lese ich den nächsten Porno von Fabian Kaden. Das ist einfach, denke ich, da tut es auch die Rechtschreibprüfung von Word – nebst Grammatik, alles neue Regeln. Word korrigiert – und ich kann mich auf die Männlichkeiten konzentrieren. Gibt ja reichlich davon in dem Buch.
Aber was passiert?:

Im Manuskript heißt es an einer hier extra ausgewählten, ganz unverdächtigen und eher romantischen Stelle:

„Ich beobachtete Philipps Gesicht, während Carlo sprach. Es verströmte soviel Zuneigung. Ob er seinen Ex noch liebte?“

Und das „seinen“ natürlich dick und grün unterkringelt. Grammatikfehler. Ich kann auf den ersten Blick keinen entdecken. Also rechte Maustaste! Was schlägt Word vor:

Ob er seine Ex noch liebte?

Heteronormativität – jetzt weiß ich auch, was das im Verlagsalltag bedeutet!

Vergangenes und zu Erwartendes von Max Goldt

Kürzlich im Berliner Ensemble, wo sich, wie alle paar Monate aufs neue, sich auch nun die Fangemeinde von Max Goldt versammelte, um der märchenonkelhaften Stimme des Meisters zu lauschen. Ein Lesepult, von vier, nicht gerade dezenten Scheinwerfern (von dem einer während der Lesung auch noch knallend den Geist aufgab) in sanftes Licht getaucht.
goldt1997.jpg
Hier saß der inzwischen auch etwas feister gewordene Max Goldt und las, zwischendurch immer wieder große Schlucke Wasser trinkend, vor allem neuere Texte – Vorboten seines für Mitte März angekündigten Kolumnenbandes „QQ“. Goldt ist ein Pfennigfuchser – oder einfach nur sparsam und umweltbewußt. Nur so läßt sich erklären, warum er seine Texte auf irgendwelchen Fehlkopien und anderem Altpapier ausgedruckt hat. Als Zuschauer ist man ständig versucht zu erkennen, was sich auf der Rückseite seiner Zettel befindet. Irgendwelche großformatigen Lettern, chinesische Schriftzeichen, Tabellen und Bildchen. Vergangenes und zu Erwartendes von Max Goldt weiterlesen

Fritz Lamm: Homosexueller Naturfreund

Wie haben uns schon manches Mal darüber Gedanken gemacht, warum „heterosexuelle“ Verlage, auch wenn sie etwas „Schwules“ machen, das Schwule so gerne verstecken. Halten sie es für rufschädigend, schwul draufzuschreiben, wo schwul drin ist. Für unverkäuflich?

Auf Breitbach und den kaschierenden Klappentext in seiner „Susanne Dasseldorf“ bei Wallstein hatte ich hier aufmerksam gemacht, Suhrkamp beispielsweise hatte aus Bernd-Ulrich Hergemöllers biographischem Lexikon zu „Mann-Männlicher Sexualität und Freundesliebe“ bei der TB-Ausgabe schlicht ein „biographisches Lexikon“ gemacht.

Fritz Lamm Jetzt kündigt der Klartext-Verlag eine politische Biographie von Michael Benz über Fritz Lamm an:
Jude – Linkssozialist – Emigrant – Naturfreund„. Aha.

Sucht man Lamm in Hergemöllers Männer-Lexikon, erfährt man: Lamm war schwul, hat deshalb u.a. in der SPD Redeverbot vor Jugendlichen bekommen. Wenn man dann ein bisschen googlet, entdeckt man weitere Hinweise: Bei Wikipedia wird die Biographie von Benz angekündigt unter dem (wohl mal geplanten?) Titel:

Michal Benz: Der lebenslange Außenseiter Fritz Lamm (1911-1977):
Jude, Linkssozialist, Emigrant, Homosexueller„.

Meint Homosexueller und Naturfreund das gleiche?
Warum wird aus dem Homosexuellen im Buchtitel jetzt ein Naturfreund?
Ist das Klartext?
Der Verlag sollte sich schleunigst umbenennen!

Geschichten, die das Leben schreibt

Ob Schwule die spannenderen Dinge erleben? Oder haben sie einfach nur den Mut, all ihre Peinlichkeiten öffentlich auszusprechen? David Sedaris etwa hat es vorgemacht und Buch um Buch bestsellertauglich seine komplette Biografie wohldosiert in Kurzgeschichten zum Besten gegeben.

_burroughs-2006.jpgAugusten Burroughs hat für den Anfang erst einmal seine reichlich verkorkste Kindheit hingeklotzt. „Krass!“ wurde mittlerweile sogar in China und Japan veröffentlicht und inzwischen verfilmt. Diesen Monat kommt „Running with Scissors“, produziert von Brad Pitt und u. a. mit Annette Bening, Alec Baldwin, Joseph Fiennes und Gwyneth Paltrow in den Hauptrollen, in unsere Kinos.

Wirklich gelungen ist die Leinwandadaption von Ryan Murphy (Erfinder der TV-Serie „Nip/Tuc“) allerdings nicht. runn
Zu sehr zerfällt sie in bizarre Episoden, ohne einen durchgängigen Ton oder ein wirkliches Zentrum zu entwickeln. Vor allem aber geht der spezielle, über das eigentlich Schreckliche triumphierende Humor verloren und weicht einer eher lähmenden Melancholie.
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Persönlichkeitsrecht

Eine Anekdote aus der homosexuellen Buchproduktion. In einem wissenschaftlichen Sammelband wird ein Artikel über „Slash-Literatur“ erscheinen. „Slash“ bedeutet hier, dass (heterosexuelle) Frauen bekannten Filmfiguren (Harry Potter o.ä.) schwule Liebes- und Sexgeschichten andichten und das dann lustig oder geil oder beides finden. So weit, so gut, das darf man, sowohl andichten wie auch sich darüber wissenschaftlich Gedanken machen. Aber nun soll dieser Text mit Abbildungen versehen werden, Fotokollagen, die ebenfalls dem Internet entnommen sind und die Schauspieler Sean Bean und Viggo Mortensen zeigen. Der Verlag ist vorsichtig und denkt sich, na ja, vielleicht gibt es da ja Probleme mit dem Persönlichkeitsrecht, und er fragt bei der Rechtsabteilung seines Berufsverbands an, was man dort davon hält. Persönlichkeitsrecht weiterlesen

Ein Bad im virtuellen Tümpel

Ich habe es jetzt mehr oder weniger geschafft, meine literarische Webaktivität auf zwei Foren zu konzentrieren, wobei ich zur Zeit www.spruchreif.net den Vortritt gebe. Das liegt in erster Linie daran, dass mir zur Zeit der Draht zur Poesie fehlt.

Die Abnabelung von allen anderen Verbindlichkeiten habe ich quasi mit Jahreswechsel vollzogen, oft nach wochenlangem nachdenken und abwägen. www.gedichte.com ist sicher eines der interessantesten Lyrikforen im deutschsprachigen Raum, wird derzeit aber leider wieder von Fakern und Gedichteklauern heimgesucht. Überdies scheint dort der Druck zu wachsen, Kommentare abzugeben, speziell unter „altgedienten“ Usern. Nach dem Motto: Ich hab Deinen Text kommentiert, jetzt mach Du mal hin…
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Typisch deutsch? Schwule nicht in der Literatur?

„Schwule Nachbarn“ heißt eine Anthologie, die ich bei Männerschwarm herausgebe und die im März erscheint. Heterosexuelle Autoren schreiben Begegnungen mit dem Homosexuellen. Etwas Besonders daran ist nur, weil sie es sonst nicht tun. Wenn ich über mögliche Gründe nachdenke, komme ich auch auf die Frage nach dem Stellenwert, den das Schwule überhaupt in der Literatur hat – besonders in der Deutschen.

Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts erschienen Bücher wie Robert Musils „Verwirrungen des Zöglings Törleß“ (1906), Thomas Manns „Tod in Venedig“ (1912) oder Stefan Zweigs „Verwirrung der Gefühle“. Das Thema Homosexualität ist präsent, doch wird es entweder metaphorisch aufgeladen, mit Krankheit, Tod oder auch der „Zwecklosigkeit“ verbunden, oder im Geiste Emanzipationsbewegung pädagogisiert. Anders als der Franzose André Gide, Typisch deutsch? Schwule nicht in der Literatur? weiterlesen

Neujahrsrätsel

Wollen wir doch mal sehen, wer hier gelegentlich vorbeischaut! Gerade haben wir im Verlag Inventur gemacht, deshalb eine kleine Quizfrage: wie viele Bücher (Einzelexemplare) befinden sich am Lager des Männerschwarm-Verlags? Wer bis auf 5.000 Stück in die Nähe der tatsächlichen Zahl kommt (die demnach also höher als 5.000 ist …), darf sich ein Buch seiner Wahl wünschen! Einsendeschluss ist Sonntag, der 14. Januar.
Kleiner Tipp: die Lösungszahl besteht aus nur drei verschiedenen Ziffern, Wiederholungen sind also unvermeidlich.