Dass dieser Roman ausgerechnet ein Zitat aus Mary Shelleys „Frankenstein“ voranstellt, mag auf den ersten Blick überraschen. Am Ende der Lektüre aber angekommen, wird sich diese Analogie geradezu aufdrängen. Denn wie in „Frankenstein“ wird auch in „Der Fremde in mir“ mit großem Aufwand Menschenmaterial zu einem höheren Zweck geformt – und mutiert letztlich doch zu einem Monster. Im Falle des dritten Romans des Berliner Autors Markus Dullin wird mittels Hanteln und Anabolika aus dem Ich-Erzähler Franz ein Muskelberg und Bodybuilding-Champion. Das hässliche Entlein verwandelt sich in den allseits begehrten Hunk.
Wenn sich Vergangenheit und Gegenwart eingeholt haben, entlädt sich die Spannung schließlich im Vollzug eines perfiden Racheplans.
„Der Fremde in mir“ ist aber erst in zweiter Linie ein Psychokrimi; im Vordergrund steht für Dullin zweifellos die auf verschiedenen Ebenen diskutierte Auseinandersetzung mit dem Traum von ewiger Jugend und Körperkult. Was passiert, wenn sich Identität allein über – körperliche – Äußerlichkeiten definiert? Was heißt es, wenn das Selbstwertgefühl sich ausschließlich über de Umfang des Bizeps speist? Dullin ist dabei keineswegs moralisierend, liefert aber jede Menge kritische Anmerkungen für dieses, gerade die schwule Welt so prägenden Phänomene, ohne dabei den Erzählfluss ins Stocken geraten zu lassen.