Archiv für den Monat: März 2008

Littells „Herz der Finsternis“

Die Figur des „schwulen Nazis“ wurde vom antifaschistischen Widerstand und den deutschen Exilschriftstellern geboren und ist offenbar nicht totzukriegen – genug Grund also, in diesem Blog einen Blick auf Jonathan Littels „Die Wohlgesinnten“ zu werfen.

Vorweg: Ich habe zwar einige hundert Seiten, aber nicht den ganzen Roman gelesen. Damit sind wir gleich beim Thema: Muss das Buch so umfangreich sein? Ich meine: nein, muss es nicht, und eigentlich ist es schade, denn das wird viele Leser abschrecken. Die Leistung des Romans liegt meines Erachtens darin, eine bestimmte Szenerie lebendig werden zu lassen, und man kommt bald an den Punkt, an dem man zwar weiteres, aber nichts anderes mehr erfährt. Littells „Herz der Finsternis“ weiterlesen

„Alles wahr“ oder wie?

Boris von Brauchitsch ist ein Schelm. Sein Roman „Alles wahr“ beginnt mit den Worten: „Das Ende dieser Geschichte …“ und endet mit: „aber das, was ich entziffern konnte, war ein Anfang.“ Ich will nicht so gemein sein, hier die Handlung zu verraten, nur soviel: es geht um Diebe, um Kunst und um Fälschung, und zwar um Fälschungen jeder Art. Man bekommt (zu Recht) den Eindruck, dass diese Fälschungen auch in die Geschichte selbst eindringen, und so stellt ein Rezensent auch fest, zum Schluss stelle sich die Frage: „Was war denn nun eigentlich?“ „Alles wahr“ oder wie? weiterlesen

„Gustloff“ schwul

Sven Björglund beschreibt in „Ruf der Kraniche“ eine schwule Liebe auf der Flucht aus Ostpreußen. In der Verlagsankündigung stößt man auf den Satz: „Als die russischen Soldaten auch nach Stallupönen einfallen, begeben sich Jan, Jenny, ihre Mutter Hanna und Krossmann, der alte Knecht, im Treck auf die Flucht heim ins Reich.“ Man muss nicht Klemperers kluges Buch über die Sprache der Nationalsozialisten (LTI) gelesen haben, um hier zusammen zu zucken. Ich glaube gern, dass der Autor die historische Verwendung dieser Formulierung gar nicht kennt und „Heim“ für eine schöne Sache hält, aber als bekennender Sozialdemokrat hätte der Verleger ein wenig aufpassen können. Oder laufen die verschämten Annäherungen an die Linkspartei gerade als „Operation heim ins Reich“? Das wüsste ich gern!

Forum Homosexualität und Literatur hört auf

Von allen wissenschaftlichen Zusammenschlüssen, die im Zuge der Neuen deutschen Schwulenbewegung entstanden, haben die Literaturwissenschaftler mit den 50 Ausgaben des „Forums Homosexualität und Literatur“ ohne Zweifel die deutlichsten Spuren hinterlassen. Das ist nicht zuletzt der Tatsache zu verdanken, dass diese Zeitschrift bis zu dessen Pensionierung am Lehrstuhl von Wolfgang Popp in Siegen herausgegeben wurde. In keiner anderen Disziplin ist es gelungen, zumindest zeitweise eine derart fruchtbare schwule „Infrastruktur“ hervorzubringen. Forum Homosexualität und Literatur hört auf weiterlesen