Wenn man seinen Vornamen um zwei Buchstaben verlängert, gelangt man von Mario (Wirz) zu jener großherzigen und -busigen Person, die alles gesehen hat und auch dann Süßigkeiten austeilt, wenn man es gar nicht verdient hat. Als böse hanseatische Tunte darf man bei der Lektüre des neuen Gedichtbands „Sturm vor der Stille“ dann überrascht und erfreut feststellen, wie klare Worte sich einer erlauben kann, der niemandem Böses will. Denn die Gedichte in „Sturm vor der Stille“ sind eine Art von Meditation mit Bezug zu real existierenden Menschen, die als Widmungsträger genannt werden. Die vielen Seelen in der Brust des Autors treffen auf eine Vielzahl von Bekannten in der Außenwelt und gehen dabei oft sehr reizvolle Verbindungen ein – auch wenn „für Sollorz, Foelske, Klimke“ etc. drübersteht, dienen diese realen Figuren in erster Linie dazu, die Reflexionen Mario Wirz‘ ein Stück weit bei der Hand zu nehmen. Und wie der Titel schon sagt, ihren Ausdruck finden diese Reflexionen und Stimmungen sehr oft in Landschafts- oder Meerstücken.
Da ich den Autor und einige der Widmungsträger persönlich kenne, kann ich nicht beurteilen, inwieweit diese Kenntnis das Erlebnis von Wirz‘ Lyrik beeinflusst. Mit Sicherheit sagen kann man jedoch, dass die Imagination, die diese Texte leisten, in ihrer ganzen Rätselstruktur dennoch gut zugänglich ist, sich nicht in artistische Höhen versteigt, sondern stets auf ein möglichst klares Ziel zusteuert. Manchmal drängt sich die Aussage allzu sehr in den Vordergrund, „Lass uns nicht furchtsam sein“ ließe sich sicherlich auch in anderer Weise ausdrücken. Auch „Dem Kind, das ich gewesen bin, folge ich durch alle Jahreszeiten“ eignet sich wohl eher als Thema denn als Einstieg eines Gedichts. Im Ganzen betrachtet vermittelt sich jedoch ein neuer, ganz unpathetischer Tonfall, und was manchmal zu direkt ausgesprochen wird, trägt auch dazu bei, sich durch die Welten und Seelen dieses Panoptikums tragen zu lassen. „Reiß dich zusammen/ sagen die Freunde/ als ginge kein Riß/ durch meine Jahre/ als könne sich/ die Zeit/ noch viele Sprünge/ leisten“. (Klaus Berndl wird sich freuen: alte Rechtschreibung!)
Die „böse hanseatische Tunte“ ist übrigens gar nicht so böse, wie sie vorgibt.
Aber sie hat natürlich recht, Klaus Berndl freut sich über die bewährte Rechtschreibung. Klaus Berndl freut sich immer, wenn Sprache durchdacht eingesetzt wird. Das ist bei Mario Wirz der Fall. DER könnte auch in Schlechtschreibung veröffentlichen – und das Ergebnis wäre wunderbar.
Es packt einen … nein, ich sage es lieber persönlicher: es hat mich immer irgendwie im Inneren erreicht. Lyrik kann die Vorstellung animieren, zur Nachdenklichkeit anregen, das Herz zum Pochen bringen … Mario Wirz spricht einen an, daß man das Gefühl hat, er spräche aus einem heraus.
Deshalb liebe ich dieses Buch.