Fritz Lamm: Homosexueller Naturfreund

Wie haben uns schon manches Mal darüber Gedanken gemacht, warum „heterosexuelle“ Verlage, auch wenn sie etwas „Schwules“ machen, das Schwule so gerne verstecken. Halten sie es für rufschädigend, schwul draufzuschreiben, wo schwul drin ist. Für unverkäuflich?

Auf Breitbach und den kaschierenden Klappentext in seiner „Susanne Dasseldorf“ bei Wallstein hatte ich hier aufmerksam gemacht, Suhrkamp beispielsweise hatte aus Bernd-Ulrich Hergemöllers biographischem Lexikon zu „Mann-Männlicher Sexualität und Freundesliebe“ bei der TB-Ausgabe schlicht ein „biographisches Lexikon“ gemacht.

Fritz Lamm Jetzt kündigt der Klartext-Verlag eine politische Biographie von Michael Benz über Fritz Lamm an:
Jude – Linkssozialist – Emigrant – Naturfreund„. Aha.

Sucht man Lamm in Hergemöllers Männer-Lexikon, erfährt man: Lamm war schwul, hat deshalb u.a. in der SPD Redeverbot vor Jugendlichen bekommen. Wenn man dann ein bisschen googlet, entdeckt man weitere Hinweise: Bei Wikipedia wird die Biographie von Benz angekündigt unter dem (wohl mal geplanten?) Titel:

Michal Benz: Der lebenslange Außenseiter Fritz Lamm (1911-1977):
Jude, Linkssozialist, Emigrant, Homosexueller„.

Meint Homosexueller und Naturfreund das gleiche?
Warum wird aus dem Homosexuellen im Buchtitel jetzt ein Naturfreund?
Ist das Klartext?
Der Verlag sollte sich schleunigst umbenennen!

Über Detlef Grumbach

Detlef Grumbach gehört zum Team von Männerschwarm und arbeitet obendrein als freier Kulturjournalist. Schwule Bücher machen, sie "verkaufen" und Literatur insgesamt beobachten - das soll sich hier niederschlagen.

19 Gedanken zu „Fritz Lamm: Homosexueller Naturfreund

  1. Ich glaube, das gewinnt nun erstmal konkurrenzlos den ersten Preis für die schönste verlagsseitige Buchentschwulisierung. HA HA HA ist das peinlich!

  2. Etwas euphemistischer betrachtet, könnte man zu dem Schluss kommen, der Verlag möchte nicht etwas, dass man nicht besonders erwähnenswert findet, zum Anreißer eines Buches machen.
    Die denken sich vielleicht: „Hey, da arbeiten die Schwulenverbände (?) tagein tagaus und jahrelang daran, dass alles, was schwul ist, völlig dem nicht schwulen gleich gestellt ist. Warum also sollte man denen ins Gehege kommen, in dem man „Homosexuell“ aufs Cover klatscht, als ob das noch etwas besonderes wäre?

    Vielleicht denke ich da ein wenig zu positiv. Könnte ja auch sein, dass der Verlag nur Rücksicht auf jene Leser nimmt, die ein Buch, auf dessen Umschlag das Wort „homosexuell“ vorkommt, nicht kaufen würden, weil man es nicht in der Straßenbahn lesen könnte, ohne in Verdacht zu geraten.

    Aber huch – das Thema hatten wir ja schon bei der Covergestaltung 🙂

  3. Abseitige Sexualität und andere Kuriositäten

    Buch und Titel sind jetzt stimmig.
    Erstens hat der Verlag bei Drucklegung – anders als beim oben dokumentierten Cover-Entwurf – jetzt auch auf den „Naturfreund“ verzichtet.
    Zweitens ist das Buch in Sachen „Homosexualität & Arbeiterbewegung“, „Homosexualität & Exil“ und dergleichen dermaßen sogar von Halbwissen unberührt, dass man sich geradezu wünschen muss, das „Homosexuelle“ würde nie im Zusammenhang mit dieser Publikation auch nur genannt werden.
    Fritz Lamm war ein Jude, Linkssozialist, in der SPD und dort ausgeschlossen, Emigrant, Gewerkschafter, Senior der Achtundsechziger – und eben auch Homosexueller. Er hat von 1911 bis 1977 gelebt. Wenn er in der Biographie als Außenseiter bezeichnet wird, so war er das, wie wir lesen, „als Jude und gewissermaßen auch als Homosexueller“. Nun bin ich kein Freund einer „Tonnenideologie“: Jude wiegt so viel, Homo dagegen nur oder sogar soviel, aber man stelle sich den Satz doch mal andersherum vor: „Er war als Homosexueller und gewissermaßen auch als Jude ein existenzieller Außenseiter.“

    Dem Thema „Arbeiterbewegung und Homosexualiät“ sind in dem 550-Seiten-Buch gerade mal 4 Seiten gewidmet. Da wird Lamm indirekt zitiert: Er habe Bebel für vorbildlich gehalten, wie der darauf reagiert habe, als Maximilian Harden das Verhältnis von Wilhelm II. und Eulenburg aufgedeckt habe. Das mag Lamm ja so geschrieben haben. Aber die beiden hatten kein Verhältnis. Es ging um etwas ganz anderes in der Eulenburgaffäre. Wilhelm II. und Eulenburg – das ist ein Missverständnis. Kuno Graf Moltke, ja, aber Wilhelm? Das muss Lamm nicht gewusst haben. Aber wer eine Biographie über einen schwulen Sozialdemokraten und Gewerkschafter schreibt und sich nur im Ansatz der Frage nähern will, wie es um die Frage „Homosexualität & Politik“ und das Verhältnis der Linken zur Homosexualität stand und wie sich das auf dessen Leben und politische Arbeit ausgewirkt haben kann, darf wohl etwas tiefer kratzen. Seit dem Oscar-Wilde-Prozess hat die SPD um eine Position zur Homosexualität gerungen, hat für die Abschaffung des § 175 gestritten und Krupp geoutet und dazu beigetragen, ihn in den Selbstmord zu treiben. Sie hat gegen den § 175 gekämpft und Röhm denunziert, nicht weil er ein Nazi war, sondern weil er schwul war. Im Exil wurden von der NSDAP als der „Bewegung der Homosexuellen“ gesprochen. Wie hat sich einer wie Lamm da positioniert? Gibt es, auch wenn es keine von ihm überlieferten Dokumente gibt, wenigstens Hinweise darauf, dass seine Lage als Schwuler im Exil (Homosexualität war in fast allen Exilländern verboten und vom „offiziellen“ Exil verpönt.) sich irgendwie auf sein Denken und Handeln ausgewirkt hat? Wer dieser Frage nachgeht, muss wohl erst einmal etwas von den Bedingungen wissen. Aber: die wenigen Bücher, die sich allgemein mit der Thematik befassen, tauchen im Literaturverzeichnis nicht auf. Kein Richard Plant, kein Klaus Mann. Wenn Lamm sich selbst als „humanistischer Kommunist“ bezeichnet hat, drängt sich die inhaltliche Nähe zu Klaus Mann aber nahezu auf.

    Das einzige Substanzielle, was ich beim beblättern der Dissertation über das Verhältnis Homosexualität und Politik bei Lamm gefunden habe, liest sich so: „Ihm war bewusst, dass es (sein politisches Engagement) eine Flucht vor sich selbst war, eine gewisse Angst vor Freizeit, in der die abseitige Sexualität ihn zu in jener Zeit ‚noch immer gefahrvollen Abenteuern drängen könnte.'“

    Ein Mann, der gegen die Nazis und Zeit seines Lebens für Arbeiterrechte gekämpft hat, soll in Sachen Homosexualität so unpolitisch gewesen sein, dass er nicht erkannt hat, wer ihm das Leben schwer gemacht hat? Von wem die Gefahr ausging? Von seiner „abseitigen Sexualität“? Was muss dieser Kämpfer – ich sage das mit Respekt – für Widersprüche ausgehalten haben! Und auch wenn er nicht darüber sprechen konnte: Warum erfahren wir über so wenig darüber in seiner Biographie? Nicht einmal etwas über die „Rahmenbedingungen“. Statt dessen: „abseitige Sexualität“!

    Der „Homosexuelle“ ist mit Fug und Recht vom Buchdeckel verschwunden. Es fragt sich nur, warum die Freunde des Autors um finanzielle Unterstützung für die Publikation dieses Buches ausgerechnet im Gästebuch des Stuttgarter CSD geworben haben. Und zwar mit dem Buchtitel: Fritz Lamm – ein lebenslanger Außenseiter: Homosexuell, links, Jude“. In der Reihenfolge! Am 11. August 2006. Unter dieser Adresse nachzulesen: http://gb.webmart.de/gb.cfm?id=1006271

    Dort schreibt ein „Naturfreund“:
    von Peter Grohmann aus Stuttgart am 11.08.2006 17:58
    Homepage: http://www.die-anstifter.de
    Wer hilft uns bei der Herausgabe des Buches "Fritz Lamm – ein lebenslanger Au0enseiter: Homosexuell, links, Jude.
    Wir sind Heraushgeber, haben einen Verlag, suchen für das 450-Seiten-Buch Vorbesteller / Unterstützer. Wir sind gemeinnützig. Danke für Tipps.
    Peter

  4. Wer in der entpolitisierten Wueste hierzulande durch ueberzeugende Kritik stoert, wird – wenn sonst nix greift – mit diffamierender Affektautomatik bekaempft. Das geht gegen den fundierten, humanistischen Rhetoriker wie gegen wissenschaftliche Biografen und sonstige widerliche, linke „Sympathisanten“.
    Fritz Lamm war gerade mal 6 Jahre aus dem kubanischen Exil zurueckgekehrt, als die Stuttgarter SPD-Pfeifen ihn an die Kandare legten, d.h., unter homophober Verdaech-tigung 1953 Jugenschutz reklamierten und ihm politische Arbeit bei den Nichtvoll-jaehrigen untersagten. 1963 war sein Parteiausschluss faellig: da flog der Kerl Wahrheit als Linksabweichler raus, was der Wahrheit naeher kam, waere ja auch als Hete geflogen, so wie es damals bekanntlich ja etlichen sexuell „stinknormalen“ Genoss_Innen ergangen ist; zur Giga-Gaudi des breitdeutschen Publikums.
    Ein halbes Jahrhundert danach wird dem Mama-Volk endlich bestaetigt, was man schon immer wußte: Linke, 68er & ihre gruene Nachhut haben Pädophilie, wenn nicht erfunden, so doch programmatisch beschoenigt usw. Wir sehen: Der SexoReflex ist ebenso reaktionaer wie intakt.
    Michael Benz hat sich mit seiner Biografie auf den homo politicus Fritz Lamm beschraenkt. Knappe vier Seiten sind dem Aspekt “Arbeiterbewegung und Homo- sexualität” gewidmet; Zitate persoenlicher Bemerkungen des wertgeschaetzten Zeitgenossen F.L. zu sexuellen Fragen sind ueberaus spaerlich und belegen zum einen den formidabel repressiven Charakter seiner Zeit, zum anderen die ueberragende Arbeitsdisziplin & Zurueckhaltung, die ich selber bei Fritz Lamm erlebt habe. Unkenntnis & duemmliches Geschwurbel ueber die Komponenten eines Biografietitels & seine Vermarktung zeigen, wie weit die Barbarei 2007 gediehen ist: Anstelle eigener Kenntnis von Text, Inhalt & politischer Position dominieren poebelhafter Jux & Schmaehung die kulturelle Konjunktur. Das genau laesst Mutti, die Kirchen-, Bank- und Automaenner 2014 frohgemut ihre naechsten Kriege starten.
    P.S. zum Seitenhieb gegen P. Grohmann: Als Schwuler zaehle man in & um Stuttgart zur tiefschwarzgelben Truppe. Weder fuer Rotrote noch fuer Juden kann Schwulsein hier als Merkmal der Zugehoerigkeit oder gar mildernder Umstand gelten!

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