Tolle Sache: ein offen schwuler ausländischer Autor, der für einen Roman in Deutschland keinen anderen Verlag findet, möchte trotzdem nicht in einem schwulen Verlag (sprich: bei Männerschwarm) erscheinen, da verzichtet er lieber ganz.
Kleine Chronologie:
In den 90ern untersagt Max Goldt seinem Verlag, Werbung für sein neues Buch im Prospekt der Schwulen Buchläden zu machen.
Der Brite Philipp Ridley untersagt seinem Verlag, die Rechte seines Romans „Crocodilia“ überhaupt weiterhin zu nutzen, weil er inzwischen als Kinderbuchautor erfolgreich geworden ist.
Anfang 2000 kommt ein israelischer Autor, dessen Rechte Suhrkamp zwar gekauft hat, ohne dann jedoch das Buch herauszubringen, nur unter der Bedingung zu Männerschwarm, dass die Rechte bei Suhrkamp bleiben, was selbst Suhrkamp in Gestalt des Geschäftsführers Berg affig findet.
Dass gleich zwei französische Autoren (Guibert und Jourdan) uns ihre deutschen Rechte anfangs verweigern, hat wohl nur finanzielle Gründe: in Frankreich kann man die Pruderie deutscher Großverlage einfach nicht begreifen, deshalb hofften beide zunächst auf lukrativere Abschlüsse und nahmen erst Jahre später ein neues Angebot dankbar an.
Derzeit hat James Baldwin keinen deutschen Verlag, Rowohlt hat die Rechte zurückgegeben. Seit zwei Jahren versuche ich, die Erben zu einem Vertragsabschluss zu bewegen, aber man ziert sich.
Ach ja, die Krönung des Ganzen ist natürlich die Reaktion der Süddeutschen Zeitung auf unsere Veröffentlich von Wolfgang Cordans Roman „Die Matte“ – es handelt sich um die Erstveröffentlichung lange nach dem Tod des Autors. Der Rezensent hatte viel gutes zum Buch zu sagen, fand es jedoch völlig unpassend, dass es in einem schwulen Verlag erschienen ist. Insofern handeln die oben gescholtenen Autoren zumindest realistisch. Aber warum die Homosexualität der Verleger irgend etwas über die Qualität der von ihnen verlegten Bücher aussagen soll, leuchtet mir wirklich nicht ein – Suhrkamp und Rowohlt haben über lange Jahre hinweg sogar unter alkoholkranken Verlegern ganz gute Bücher veröffentlicht. Aber klar, immerhin waren sie echte Frauentypen …
(Kein Trost vonnöten, ist ja nix neues, aber man muss es von Zeit zu Zeit mal sagen, damit die Zeitgenossen sich bewusst bleiben, in was für einer Situation wir leben und arbeiten.)
Als Ergänzung: In Italien, Frankreich und England gibt es historisch keine „homosexuelle“ Literatur. Es gibt nur homosexuelle Autoren. „Gay-Literatur“ gibt es im deutschsprachigen, sowie im amerikanischen Kulturkreis. Das hat sich bis heute natürlich geändert!
Aber andererseits sind „homosexuelle“ Titel normaler Verlage oft bei Auslieferungen nicht vorrätig! zB Suhrkamp in der Schweiz. 😉
Was Frankreich anbetrifft: Sicherlich würde eine Einordnung in schwule/nichtschwule Autoren im Raum Paris dazu führen, dass sich die nichtschwulen leicht ausgegrenzt vorkommen; andererseits muss ich aber doch auch erwähnen, was der amerikanische Pragmatismus auf seinem weltweiten Triumphzug selbst hierzulande anrichtet. Als ich vor einigen Jahren in der FNAC bei der Gare St-Lazare (einem mythischen Zentrum männlicher Prostitution) auf einen Tisch stieß, der mit einem Etikett „LGBT Neuerscheinungen“ versehen war, und dort beispielsweise auch eine Neuübersetzung platonischer Dialoge fand – man wollte es den Zeitgenossen wohl so einfach machen wie bei Amazon – fiel mir das noch sehr auf; mittlerweile, na ja…
Also, ich kenne da einen, der ist ein total begeisterter Dachshundzüchter. Liebt seine Dackel, spricht mit den Dackeln, nimmt sie womöglich sogar mit ins Bett, was weiß ich. Das neueste: Er schreibt Gedichte über die Dackel. Kurzgeschichten. Romane. Hörspiele. Ich persönlich habe nichts gegen Dackel, finde sie aber nur bedingt interessant. Nachdem ich mich mal eine geschlagene Stunde lang mit dem Dackelzüchter auf einer Party über seine Dachshunde unterhalten habe, weiß ich alles über Dackel, was ich jemals darüber wissen wollte. Aber irgendwie hat der mein vordergründiges Intzeresse in den falschen Hals bekommen und jedes mal, wenn wir uns wiedersehen, fängt der Dackelzüchter wieder an, mit seinen Dackeln. Und der Typ hört nicht auf! Ich wechsele das Thema. Rede über meinen Urlaub, meine Renovierungspläne, meine schwulen Fickgeschichten. Keine Chance – am Ende reden wir über Dackel! Letztens kam er an und zeigt mir seine Dackel-Bücher: Dackel-Gedichte, Dackel-Romane, Dackel-Bildbände (letztere im Querformat). Sowie: Der-Dackel-an-sich-in-Wissenschaft-und-Forschung. Von da an nehme ich ganz schnell reißaus, wenn ich den Typen auch nur am Horizont ahne. Er interessiert mich nicht, und noch viel weniger sein Thema. Das nervt den Dackel-Typen derartig, dass er mit bescheidenen Mitteln eine Kampagne lostritt. Tenor: Ich hätte was gegen Dackel, und womöglich auch noch was gegen ihn als Dackel-Züchter. Dabei sind mir Dackel total schnuppe und es ist mir auch völlig egal was der züchtet. Der könnte auch Maulwürfe züchten. Oder Eisblumen. Und ich möchte mich nicht mit Leuten abgeben, die nur ein Thema kennen. Und können. Irgendwelche monothematischen Troglodyten. Aber nur, weil ich nichts von Dackeln wissen will, macht der Dachshundzüchter einen dollen Skandal. Presse und Rundfunk und Fernsehen. Völlig Banane! Er erzählt, er würde verfolgt und geschnitten, nur weil er auf Dackel steht und welche züchtet. Ich wäre waldiphob und auch sonst ein schlechter Mensch. Na, was meinst, was ich mich freue, wenn der im TV kommt; wie der Dackel-Typ sich da zum Irren macht!
Nette Dackelgeschichte – aber falls das eine Parabel zum Thema schwule Literatur/Autoren/Verlage sein soll, liegt sie ziemlich daneben und ist somit: misslungen!
Vielleicht ist die Dackelgeschichte nicht so völlig abwegig. Ich denke allerdings, die von Joachim erwähnten Autoren treibt noch was ganz anderes um. Ist nicht jeder von uns Autoren auf seine Weise eitel? Zweifellos befriedigen Verlagsnamen wir Rowohlt oder Suhrkamp auf dem Cover diese Eitelkeit mehr als andere. Und selbst wenn der Verlag den Autor verstößt oder ignoriert, klammert er sich hoffnungsvoll an den schönen Schein das Verlagsnamens.
Ich schreibe das jetzt auch, weil diese Tage der sehr namhafte Bielefelder Verlag eines meiner Sachbücher ankündigte, mir die Rechte daran zurückzugeben. Ich nenne mal den Verlagsnamen nicht, um den Eindruck von Rachsüchtigkeit gar nicht erst aufkommen zu lassen. Es war eine Auftragsarbeit: Der Verlag hat 1999/2000 den Titel mit 400 Seiten und durchgehender Schmuckfarbe aufwändig produziert. Kaum war er jedoch gedruckt, kümmerte sich niemand mehr darum. In den Katalogen einschlägiger Fachversender tauchte er nicht auf. In Buchhandlungen habe ich ihn nur selten gesehen, immer nur die Titel aus dem Konkurrenzverlag.
Umso erstaunter war ich bei der Bearbeitung von „Bodycheck“ und jetzt auch wieder von „Bullenbeißer“, wieviel Mühe, Engagement und Perfektionismus Joachim in Bearbeitung, Produktion und Vertrieb dieser Titel gesteckt hat bzw. steckt. Das war ich vom großen Verlag nicht gewohnt.
Nun mögen Engagement und Herzblut bei den Freunden der Dachshunde eher auf fruchtbaren Boden fallen. Das Umfeld ist familiär, mann kennt sich. Aber ehrlich gesagt ist mir dann eine dackelfreundliche Familie lieber als ein gesichts- und lustloser Großverlag. Da könnte ich meine Manuskripte auch gleich zu BoD geben und den weiteren Erfolg dem Zufall überlassen.
Ihnen, Herr Klaiber, sei es verraten: Homosexualität ist allgemein weit weniger interessant, als Sie meinen
Das muss jeder aus seinem eigenen Erleben beurteilen – wenn Du das so wahrnimmst, hast Du für Dich selbst sicher recht!
Mhmmm. Suhrkamp bringt dieses Jahr Gunther Getlingers Roman „Mensch Engel“ als Taschenbuch heraus, nachdem dieser als Hardcover bei Schöffling erschienen war. Also sooo ganz abweisend können die dort nicht sein. Andererseits ist es vielleicht einfach der Quotenschwule, der dazu ja noch eine absolut „typisch schwule“ Geschichte über Promiskuität, Selbstmordversuche und Identitätsssuche schreibt. Diese Art schwuler Geschichten (früher nur noch von den ganzen AIDS-Biographien getoppt) kann man anscheinend in diesen merkwürdig banalen kapitalistischen Zeiten aus seine „normale“ Leserschaft los lassen.
Andererseits: Ich würde mich als Autor, der schwul lebt und auch durchaus schwule Elemente bzw. auch nur mal eine Sexszene in seine Bücher einbaut, nicht gerne deswegen als „Schwulen-Autor“ labeln lassen wollen. Und so etwas wäre bei einer Veröffentlichung bei einem Verlag, der „Männerschwarm“ heißt wohl tatsächlich irgendwie absehbar. Zumal man die ganze Diskussion hier ja auch anders herum führen könnte: Wieso eigentlich gibt es ausschließlich schwule Verlage, die einen Großteil ihres Programms auf sehr eklatant „typisch schwule“ Themen richten und keine „heterosexuellen“ Geschichten veröffentlichen? Ich meine, damit hält man doch diese Bi-Polarität selber aufrecht. Solange es dieses ausschließlich schwule gibt, wird es auch das heterosexuelle geben. Man muss sich da ja immer abgrenzen scheint es. Zu kompliziert wäre ein Aufbruch der Kategorien und gar ein Entdecken von Seiten, die man jeweils der anderen, feindlichen Partei zu schiebt,
Na ja, langer Text. Ich weiß aber auch nicht genau, wie man aus diesem Dilemma heraus kommen soll. Zumal ich die Bibliothek Rosa Winkel sehr sehr schätze und froh bin, dass überhaupt jemand diese Bücher wieder heraus bringt….
Nun, ich denke ganz einfach, dass ein Verlag nach den Büchern beurteilt werden sollte, die er herausbringt. Das setzt voraus, dass man den einen oder anderen Titel dieses Verlags liest. Was wäre wohl so schlimm daran, dass bei uns ziemlich ausschließlich schwule Geschichten erzählt werden, angesichts der Tatsache, dass hunderte von Verlagen ausschließlich Bücher verlegen, in denen schwules Leben nicht vorkommt? Wir leisten unseren Beitrag zur Gesamtheit der deutschsprachigen Neuerscheinungen, unter denen – gemessen an ihrer Präsenz im öffentlichen Leben – schwule Themen und Figuren insgesamt unterrepräsentiert sind. Und wir schaffen es nicht eimal, all diejenigen Büchern zu veröffentlichen, die uns lohnend erscheinen – in einer solchen Situation lediglich aus Proporzgründen noch heterosexuelle Autoren ins Programm zu nehmen, die auch überall sonst veröffentlicht werden könnten, wäre schon ziemlich schwachsinnig. Da sollten die Heterokollegen lieber erst einmal ihre Berührungsängste verlieren! Geltinger (und Helfer, auch bei Suhrkamp) sind die Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Wie sagt man? Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.
Um die Sache mal anders anzupacken: Wie müßte schwule Literatur aussehen bzw. was müßte sie enthalten, damit Heterosexuelle sie lesen bzw. überhaupt wahrnehmen?
Und was darf sie nicht enthalten?
Ich kann Thommen und Schlegel nur zustimmen.
Joachim, du hast das Ganze mit dem Zitat der Süddeutschen Zeitung zu Cordans Roman „Die Matte“ schön illustriert und damit auf den Punkt gebracht. Solange das Schwule im deutschsprachigen Raum immer noch „etwas Besonderes“ ist, werden solche an und für sich unnütze Bemerkungen nicht verschwinden. Als Autor möchte ich am Werk gemessen werden und nicht an den Identitäten meiner Helden oder an meiner eigenen.
Es ist sehr interessant zu sehen, wie schwer es tatsächlich ist, diesen Sachverhalt korrekt zu erfassen und den Status von „Opfer“ und Täter sachgerecht zuzuweisen.
Wir, also der Männerschwarm Verlag, engagiert sich für literarische Werke. Weil – nach Meinung vieler Autoren, die entsprechende Erfahrungen machen – praktisch alle großen Verlage jedoch einen Schreck bekommen, wenn ein Roman die Welt der Homosexuellen streift, und das Manuskript dann ganz schnell fallen lassen, landen diese anderswo aus Gründen der Geschlechtsidentität abgelehnten Werke bei uns, und wenn sie uns gut genug erscheinen, dann veröffentlichen wir sie.
Das heißt jedoch: nicht etwa sind wir ein „schwuler Verlag“, sondern der verlegerische Mainstream besteht aus homophoben oder heterosexuellen Verlagen. Wir grenzen nicht aus, haben vielmehr von uns aus verschiedentlich die Veröffentlichung „heterosexueller“ Romane angeboten; die Bezeichnung „schwuler Verlag“ wird an uns herangetragen, weil wir Werke schwuler Autoren veröffentlichen, es handelt sich um eine Fremdeinschätzung, keine Selbstdarstellung. Problematisch ist der Heteroverlag, dem ein Manuskript „zu schwul“ ist, und nicht etwa wir, der wir ja keine Manuskripte deshalb annehmen, weil sie „schwul“ sind, sondern, weil sie unserer Ansicht nach eine sinnvolle Ergänzung der Gegenwartsliteratur darstellen.
Also: irgendwelche Heteros drehen uns daraus, dass wir Bücher veröffentlichen, die anderswo abgelehnt werden, einen Strick, und schwule Autoren fallen darauf herein und distanzieren sich. Mit der Dummheit der Heteros zu leben bin ich gewohnt, die Dummheit der Schwulen kann mich noch ärgern und ein wenig erregen.