Mit der „roten Reihe“ hat Männerschwarm vor 4 Jahren („Davids Sommer“) literarische Schreibweisen in die erotische Literatur zurück geholt. Ob „Therèse Philosophe“, ob Mutzenbacher, Sacher-Masoch oder „Geschichte der O“, oder auf schwul: ob der „Schüler Alkibiades“, de Sade, oder die „Sünde von Sodom“ – explizite Erotik war stets Teil der Literatur, und erst die Spießigkeit der Moderne hat sie in Vergessenheit geraten lassen.
Natürlich gab es immer billigen Sexkram. Muskeln, große Schwänze, Duschräume, scheue Blicke, und fertig war die Wichsvorlage. Eine Beschreibung sexueller Vorgänge fand man dort kaum, die Erotik wurde durch die ewig gleichen Schlüsselreize heraufbeschworen (Internat!), mal mehr, meistens weniger erfolgreich.
Diesem Missstand wurde durch bisher 8 kleine rote Bücher Abhilfe geschaffen:
http://www.maennerschwarm.de/Verlag/htdocs/erotik.html
Nun stellt sich die Frage: Soll es weiter gehen? Und wenn ja: wie? Es wäre schön, wenn sich dazu hier ein paar Meinungen einfangen ließen.
Das Problem besteht darin, dass die sinkenden Verkaufszahlen sinkende Auflagen und damit heikle Kalkulationen nach sich ziehen, m.a.W., man verdient nichts mehr dran. Und inhaltlich ist es die Frage, ob sich über die 8 Titel hinaus, die wir jetzt lieferbar haben, noch etwas neues finden lässt – Sex ist schließlich nur ein Ausschnitt der Welt und damit endlich … Kindergeschichten wären natürlich prima, aber das darf man nicht; Seniorengeschichten wären verdienstvoll, aber würde die jemand kaufen?
Wenn wir die Reihe fortsetzen, dann deshalb, um das Spektrum der Settings weiter zu durchschreiten. Weder die kleinen David-/Leonardo-Trolle noch die supergeilen Escorts geben mehr her, als wir bisher schon veröffentlicht haben – falls doch, bitte ich darum, mich zu korrigieren!
Welche literarischen Themen gibt es im Bereich Porno?
(1) Rolle des Sex im Leben (Davids Sommer), was geht körperlich und was bewirkt das psychisch
(2) Verhältnis Sex-Liebe bzw. Sex-Beziehung, was ja nicht zusammen passen muss
(3) Sex und Hierarchie, incl. Sex als Mittel (zur Unterwerfung/ Demütigung etc.) (Cliff Morton)
(4) Sex und Generationenverhältnis, beide Richtungen
(5) Sex und Gender bzw. „Tunten zwecklos“, also: Schwule suchen „straight actors“ als Sexualobjekte
(6) Sex und Geld, d.h. alle Kontakte, die entweder durch die Faszination des Reichtums oder durch Prostitution zustande kommen und insofern für beide/ alle Beteiligte durch diesen Akzent besonders sind. (Die „Holland“-Bücher gehen auf diesen Aspekt bisher nicht ein.)
Mag jemand diese Liste vervollständigen?
Und: fürs Frühjahr ist noch nichts in der Röhre, Angebote werden entgegengenommen!
Ganz ehrlich wundert es mich nicht, dass die Verkäufe zurückgehen. Kann natürlich auch an etlichen anderen Faktoren liegen, aber da ich aktuell (seit 5 Monaten) „Hausbesuche“ lese – und zwar immer, wenn ich mal so ultragelangweilt bin und kein Telefonbuch zur Hand habe 😉 – muss ich sagen, dass ich das Buch wohl doch noch zu schnell lese. Diese sprachliche Verspanntheit, die sich da breit macht, sorgt tatsächlich für Gänsehaut, aber doch nicht die gewollt erotischen Begebenheiten. Da fragt man sich wirklich nach dem Sinn. Für mich jedenfalls ist das Experiment, Erotik niveauvoll anzubieten, missglückt. Bei „Hausbesuche“ bekommt man auf jeder Seite das anespannte Bestreben nach „hoher Literatur“ aufgebrezelt. Da wird dann schnell Sex – eigentlich ja doch eher eine gleitende und geschmeidige Angelegenheit – in mechanisch gestelzte Sätze gepresst und beim Lektorat noch übersehen, dass zum Höhepunkt in jeder Geschichte und manchmal mehrmals auf einer Seite „die weiße Sahne“ rumschießt. Ich als Leser muss da erst mal kräftig lachen und dann denke ich über das absolute No-go „weiße Sahne“ nach, um beim nächsten Auftauchen selbiger das Zählen anzufangen. Und wenn ich eines nicht will bei erotischer „Literatur“, dann ist es wohl Zählen bis es vorbei ist. Am Ende bleibt „Hausbesuche“ das erste und letzte Buch aus der Reihe, das ich mir angeschafft habe. Es gibt gute und schlechte Erotikstorys, das stimmt sehr wohl, aber hier frage ich mich wirklich, ob gewollt und nicht gekonnt tatsächlich so viel besser ist, als „billiger Sexkram“ … Na ja, glücklicherweise macht ihr ja auch noch andere Bücher, die sich das Geld lohnen.
@ kok
Zu deinem Beitrag möchte ich mich nicht weiter äußern, nur so viel: Ich habe heute ein paar Aprikosen gegessen. Eine war sauer, die anderen süß. Zum Glück hatte ich eine süße am Anfang …
@ Joachim
Ich nenn dich mal einfach Joachim, Süße, ja? Kann mir zwar nicht vorstellen, dass dir das so richtig passt, aber so nennst du dich hier ja nun mal. Nicht so süß finde ich deinen Einleitungstext jedenfalls dann, wenn du damit sagen wolltest, dass ich mit dem „Escort“ und der „Steifen Brise“ dicht vor die Kloschüssel gepisst habe. Ich hab Pornos zur Unterstützung des täglichen Schrubbens geschrieben, und dabei bin ich einer alten Vorliebe gefolgt: erotische Szenen in eine Geschichte, einen Kontext einzubetten. Nichts finde ich öder als eine Aneinanderreihung von Sexszenen wie in manchen billigen Filmchen. Die Erotik versickert in den Schnitten zwischen den Szenen. Das möchte ich aber ausdrücklich nicht auf die „Hausbesuche“ bezogen wissen; das Buch kenne ich nicht. Ich hab neben dem Schreiben noch einiges andere zu tun 😉
Süße Joachim, du möchtest es literarischer. Verstehe ich dich recht, dass es nicht gleich sowas wie „Sexus“ sein soll? Ein großartiges Buch – aber eben kein Porno. Wie pornographisch darf es denn dann noch zugehen? Mir scheint, da steht eine Grundsatzentscheidung an, und ich weiß nicht, ob mich das nicht überfordert. Ich mag es eindeutig und deftig. Aber die von dir oben angeführten Themen haben mich trotzdem angesprochen. Ich wollte dir als nächstes ein Skript über eine wahre Begebenheit anbieten. Ein Kunde (wollte vergewaltigt werden, aber da waren die Augen wie so häufig größer als der Magen, jedenfalls fing er schnell an zu jammern) bat mich, für ein weiteres Date seinen Mann für ihn zu buchen, der als Escort arbeitet und sich – außer gegen Geld – nicht ficken lässt, auch nicht von seinem Mann, meinem Kunden. Um seinen eigenen Lebenspartner – tatsächlich verpartnert – ficken zu können, musste er ihn also buchen. Meine Aufgabe bei dem Date war es sicherzustellen, dass der Escort seinen eigenen Mann nicht erkennt. Ich hab den Kleinen also fixiert, Augen verbunden und alles, und es ging auch alles gut. Aber was wäre gewesen, wenn nicht? Große Krise, schätze ich, zumal der Escort, der gefickt werden sollte, auch noch Latino ist. Und eine Diva. Das berührt Punkt 2 deiner Auflistung, aber auch Punkt 6.
Zu Punkt 6, Sex und Geld, kann ich naturgemäß auch jede Menge beitragen, auch aus eigenem Erleben, weil es mir tatsächlich einen Kick gibt, eine Dienstleistung gegen Honorar erbringen zu sollen. Ich weiß nur nicht, ob ich diese Form des Schreibens als Selbsttherapie wirklich will.
Vielleicht ist der Weg, den Pauls Bücher wiesen, der richtige, den die Reihe gehen sollte. Das Bedürfnis nach Kontrollverlust und Selbstaufgabe, nach Erleben der eigenen Grenzen. Und die Lust, diese Grenzen zu überschreiten. Aber das ist ein unendliches Thema. Wo anfangen?
@ kok: tut mir leid, wenn Dir das Buch nicht gefallen hat – als Verlag müssen wir Verschiedenes für verschiedene Leser bringen, so etwas wie die „Euroschokolade“ gibt es in der Literatur glücklicherweise nicht. Vier Autoren, vier sehr verschiedene Zugänge.
@ Jan: ich habe wirklich keine Ahnung, wie Du darauf kommst, ich würde mich von Deinen zwei Büchern distanzieren, im Gegenteil! Ich denke nur, dass hier genauso wie bei Cliff Morton und Fabian Kaden Themenwechsel nötig sind und nicht einfach eine Masche durchgezogen werden kann. Das muss dann nicht in Selbsttherapie münden, weil sich das mit Porno nun sicher nicht gut verträgt. Soweit ich sehe, funktioniert ein guter Porno durch seine spezielle Mischung von Realität und Fantasie, und auf der realistischen Ausgangsebene lässt sich m.E. fast alles ansprechen, weil ja so gut wie alles sich sexuell besetzen lässt.
Ich freue mich jedenfalls, dass bei Dir schon wieder neue Ideen darauf warten, geboren zu werden. Und dieses blöde Missverständnis klären wir dann mal direkt!
Mein Name hier wurde übrigens vom Webmaster eingegeben, ich bin ja nicht so eine Technische. Hony soit qui mal y pense!
Ob ein Thema sich erledigt hat oder ein Buch mit dem Thema sich gut verkaufen lässt, sind ja zwei verschiedene Sachen. Wenn sich etwas thematisch wirklich erledigt hat, sind es für mich die Internatsbübchen (*winsel*) und die ach so harten Kerle (*gähn*), aber die verkaufen sich ja offenbar munter weiter, Monat für Monat, und wenn die rote Reihe eingestellt wird, bleibt den Milchbubis und Muskel-Machos das Feld überlassen.
Die Themen, die mich am meisten interessieren, sind in der (deutschen, gegenwärtigen, offiziellen) Erotik-Literatur noch kaum bearbeitet. Ein wichtiges Thema für mich ist Sexualität als fließendes, offenes Konzept, die Gleichwertigkeit verschiedener Sexualitäten, aber obwohl es die Queertheory und Essays dazu schon lange gibt, kenne ich nicht viele Prosa-Texte, in der diese Ideen literarisch umgesetzt werden.
Mein zentrales Thema in den Büchern der roten Reihe ist Machtbalance und Rollenwechsel – mich interessiert nicht die Herstellung von Hierarchie, sondern deren Auflösung (das könnte missverständlich aufgefasst werden in Deiner Auflistung). Wenn man, wie Jan auch sagt, die Sexszenen nicht als mechanische Abläufe darstellt, sondern der Sex Handlungsträger ist, kann sich Sex als Thema nicht erschöpfen. Das wäre dann wie zu sagen, der Dialog habe sich als Thema erledigt, weil Gespräche nur ein Teil des Lebens sind und daher endlich.
Dass es einen großen Bedarf an den Themen gibt, die in der roten Reihe behandelt werden, sehe ich in den Internetforen. Für mich ist das eher ein Marketingproblem, die vorhandenen Zielgruppen auch im offiziellen Buchmarkt zu erreichen.
Dass die „Süße“ sich hier hinter dem Webmaster verschanzt, ist eine Frechheit. Jeder der Joachim kennt, kann kaum glauben, dass er sich in einer solchen Frage nicht durchsetzen würde. Nein – es gibt einen gemeinsamen Diskussionsstand – schon auf der Männerschwarm-Seite – dass wir nicht für einen kleinen Kreis der Eingeweihten mit Tuntennamen in Erscheinung treten, sondern für den großen Kreis der Webuser mit identifizierbaren Klarnamen.
Unter Alias-Namen „frei“ agieren und sonst „seriös“ auftreten, lieber Jan, dafür kann es ja Gründe geben. Den einen Namen fürs literarische Werk, den anderen für Pornos, für dies und das den Dritten und Vierten. Da solltest du auf den „Joachim“ durchaus gelassen reagieren. Und Joachim: Warum sagst du ihm nicht einfach, die Pisse läuft am eigenen Bein herunter! Jetzt tut das nämlich deine!
Der keineswegs allmächtige Administrator (nicht Webmaster!)
Detlef
Das Aufeinanderprallen von Pseudonymen, Web-Nicknames und Tuntennamen ist sicher auch ein interessantes Thema, und es ist nicht verwunderlich, dass es gerade bei „Erotik“ aufkocht – aber es ist ein eigenes Thema.
Auf den Seiten 27-30 in „Der Escort“ von Jan Holland wird eine geile Piss-Session beschrieben. Ich finde, man muss sich entscheiden, ob man einen Vorgang positiv oder negativ bewerten möchte. Hier landet die Pisse neben dem Klo oder läuft am Bein hinunter – ich stehe auf weder noch. Was Namen angeht, stehe ich momentan auf sowohl als auch.
Gibt’s denn noch was zum Thema zu sagen?
Zu Cliffs Kommentar: Sex als Handlungsträger ist unendlich, da stimme ich zu und darum geht es mir ja. Auf Sex „als Sex“ trifft das jedoch wahrscheinlich nicht zu.
Jetzt möchte ich hier doch mal ein bisschen den Dampf rausnehmen. Vielleicht hätte ein Zwinkersmilie hinter die entsprechende Passage meines Postings # 2 gehört. Ich habe mit der Rolle des Kritisierten eigentlich nur kokettiert. Bei nem Porno danebenzupissen, wäre wirklich ausgesprochen kontraproduktiv. Joachim hätte ein solches Buch ganz sicher nicht gemacht. Und ich hab auch kein Problem, Joachim als solchen anzusprechen. Ob das seriöser ist, als den mir vertrauten Namen zu verwenden, möchte ich dahingestellt sein lassen; schön dass ihr euren Diskussionsstand habt.
@ Cliff
Ich glaube nicht, dass sich die Internatsbübchen und die Macho-Kerle erschöpft haben. Allerdings würde ich den Unterschied zwischen pornographischer und erotischer Literatur daran festmachen, ob lediglich ein Topos bedient wird, um in den Köpfen der Leser mit Chiffren zu arbeiten, zu denen jeder doch wohl einen recht klaren Assoziationshintergrund haben dürfte, oder ob dieser Topos auch hinterfragt wird. Das habe ich bisher nicht getan, mein Protagonist ist ziemlich klar genau so ein „harter Kerl“. Aber ich finde den Gedanken durchaus reizvoll, ihn auch mal in einer Situation der Schwäche und des Scheiterns darzustellen. Allerdings müsste eine solche Geschichte genrebedingt wohl dennoch mit einem Happy End schließen. Insofern denke ich, dass die „supergeilen Escorts“ (O-Ton Joachim) durchaus noch mehr hergeben
Deine Gedanken zur Machtbalance – deinem zentralen Thema – finde ich interessant, denn ich erlebe mitunter Entscheidungsträger, die ein Korrektiv zu ihrer Machtfülle brauchen. Sie verkehren ihre Macht ins Gegenteil, und dafür bezahlen sie. Da Geld dabei im Spiel ist, ist die Balance natürlich trotzdem gewahrt; der Rollenwechsel hin zur Kontrollabgabe passiert unter kontrollierbaren Vorzeichen. Aber Macht, und zwar eindeutige, spielt in den Köpfen der Männer dabei immer eine Rolle, und das Spiel mit der Macht ist lustvoll besetzt.
Ich denke ebenfalls, dass der Bedarf an solchen Themen groß ist, aber ich zweifle daran, dass sich damit ein größeres Publikum erreichen lässt. Vielleicht ist das wirklich ein Marketingproblem. Vielleicht lesen die Leute aber einfach generell auch immer weniger (Bücher). Die Lust, sich auf ein Buch einzulassen, scheint mir abzunehmen, und daran wird wohl alles Marketing kaum was ändern können. Zumal wenn es sich um Themen handelt, die eigentlich leicht und unterhaltsam daherkommen sollten, die dann aber durch die Art der Herangehensweise in den Ruch kommen, anstrengend (weil literarisch) zu sein. Ich habe keine Ahnung, wie diese Quadratur des Kreises gelingen kann. Es ist ja nicht so, dass in den anderen Büchern von Männerschwarm (außerhalb der Roten Reihe) Erotik keine Rolle spielen würde.
Ach Gott, das Marketing. Bei den wirklich wichtigen Dingen wirkt das nicht, weil man solche Dinge nun mal nicht einfach kauft, sondern auch irgendwie leben (in diesem Fall: lesen, sich einlassen) müsste. Der Fachmann, der Obama zum Präsidenten macht, wird vor Goethe scheitern – der Gute hat es ja schon zu Lebzeiten nicht geschafft, seine Bücher populär zu machen, und das, obwohl er persönlich ein Kultstar war! Das mag uns Kleinverlegern als Entschuldigung dienen.
Das einzige Markteting, das hilft, ist die Mundpropaganda, und darauf hat man keinen Einfluss.
Und die scheint zu funktionieren. Jedenfalls habe ich mehrfach durch Kunden gehört, dass ihnen der „Escort“ empfohlen worden war. Und das war dann mitunter auch eine Empfehlung für mich.
Ein Buch sagt mehr als tausend Schwänze? Nein, das wäre wohl zuviel gesagt.
Wie auch immer, ich wäre jedenfalls natürlich daran interessiert, dass die Rote Reihe weitergeführt wird. M. E. hat sie das Potenzial, dereinst mal legendär zu werden.
@ Jan
Deine Sexszenen finde ich wegen des turbulenten Abwechslungsreichtums sehr inspirierend. Sie machen mir Lust, selbst etwas zu schreiben (habe schon eine Kurzgeschichte direkt als Reaktion auf eine Szene im „Escort“ geschrieben) – und es begeistert mich, wenn ein Buch diesen Effekt hat! Du hast auch eine originelle Vielfalt an Figuren – aber deine Helden würden mir tatsächlich noch besser gefallen, wenn du sie, wie du sagst, auch in Situationen der Schwäche und des Scheiterns zeigen würdest. Ich habe eine Vorliebe für Anti-Helden und ‚gebrochene‘ Figuren – vielleicht kannst ja für mich mal so eine Szene einbauen, am besten in Kombination mit einer komplizierten Machtdynamik, wie du sie andeutest, bei der zwischen Kunde und Escort die Karten immer wieder neu gemischt werden :).
Im Grunde hast Du Recht, jedes Thema lässt sich ‚neu erfinden‘ und wenn wie bei dir der direkte Bezug zum wirklichen Leben gegeben ist, hilft das natürlich, Charaktere und Szenen differenzierter und nicht klischeehaft zu gestalten.
@ Johanna
Weiß nicht, denke manchmal schon, wir könnten uns noch ein paar gute Ideen zur Werbung einfallen lassen – wir müssen doch mal Sir Ian Mc Kellen anheuern, eine ‚Alten-Sexszene‘ im Seniorenheim zu lesen oder so …
Ich bin seit 31 Jahren schwuler Buchhändler, habe aber alle diese Pornos nicht gelesen, weil ich mich in den 80er Jahren mit den Videos aus USA und dann aus Frankreich beschäftigen musste. Erfahrung: Jede Art von Porno, die das inszeniert, wozu die Klemmschwestern im Alltag nicht fähig sind, oder nicht den Mut dazu haben, kommt immer an!
Ich erinnere an die Besprechung eines schweizer Literaturkritikers in der NZZ über die „Schönheitslinie“ von Hollinghurst: Er habe selten eine so schöne Beschreibung von HomoSEXUALITAET gelesen, und Hetero-Autoren könnten sich da eine Scheibe abschneiden…
Leider tendieren eine grosse Anzahl von Männern dazu, ihre Scheu, Verklemmtheit oder Machtumkehr, mit Geschichten über Verhältnisse „der hetero Art“ auch in der Homosexualität zu therapieren. Die meisten wollen deren/dessen Macht über sich selbst erleben, oder weniger, über Andere Macht erhalten. Denn die Sexualität ist für ein Kind und Jugendlicher das erste grosse Erlebnis, selber Macht zu „haben“ – über die Sexualität – auf Andere. Aber das fängt schon bei den Müttern gegenüber ihren Kindern an… (Drum sind wohl auch „Kindergeschichten“ verboten!)
Ich finde, offensichtliche „Therapien“ können ruhig den anderen Verlagen überlassen werden. Da wird viel produziert. Entsprechende Rollenspiele werden immer gern vom Leser angenommen.
Die hier angestrebte Zielgruppe hingegen ist wohl wirklich viel zu klein. Einen Menschen in einem Körper durch die Sexualität zu entdecken, ist uninteressant. 🙁
Würden die vielen Gelegenheiten im Alltag nicht nur literarisch aufgedeckt, die zum Genuss von Homosexualität führen könnten, wäre das wohl „revolutionär“. Aber wir sind alle zu feige dazu. Und das System funktioniert mit deren Unterdrückung sehr gut.
In meinem Laden haben sich jeweils Pornokonsumenten ab und zu ein gutes Buch gegönnt. Aber sonst liefen die Literaten und die Pornokonsumenten auf zwei Schienen.
NIVEA hatte es wohl geschafft, Wasser und Fett erfolgreich anzurühren! 😉
von mir kommen keine einwände gegen die beendigung der roten reihe. gute grüße an alle!
Warum denn die rote Reihe beenden?
Einen Versuch ist es doch wert?! Und wo hört überhaupt Pornographie auf und fängt erotische Literatur an?
Erkennt mann den Unterschied daran, ob mann beim Lesen das Buch mit einer oder zwei Händen hält?
Ich kann mir ja hier im Netz megabyte-weise nackte Männer herunterladen. Und dennoch stelle ich (zu meiner großen Erleichterung) immer wieder fest, dass ordentlich abgelichtete ganz oder teilweise bekleidete (!) Männer auf mich viel erotischer wirken. Nun kann ich nicht beurteilen, wie andere Männer dies sehen – hoffe allerdings, dass es noch mehr von meiner Sorte gibt.
Dann ist da ja noch der kommerzielle Aspekt. Warum soll der Verlag den Porno-Umsatz anderen überlassen? Wenn das dann mit Anspruch geschieht, warum nicht?
Ich frage mich allerdings, warum der Verlag nicht einfach der Erwartungshaltung der Pornokonsumenten entspricht und den Umschlag entsprechend gestaltet. Vielleicht würden Farbe und Hochglanz verkaufsfördernd wirken.
Dagegen sprächen nur zwei Überlegungen. Entweder soll sich der Anspruch auch im Cover widerspiegeln. Das ist durchaus verständlich und ehrenwert. Oder es besteht das reale Risiko, den Pornokonsumenten zu enttäuschen, weil er wider Erwarten beim Lesen die zweite Hand zu Hilfe nehmen muss.
Es gibt einen großen schwulen Verlag, der seit vielen Jahren nichts anderes tut, als jede Art von Kundenerwartung auf die allernächstliegende Weise zu befriedigen, damit können und wollen wir nicht konkurrieren. Unsere „Philosophie“ ist dagegen die, solche Erwartungen aufzugreifen und auf unsere (unnachahmliche!) Art und Weise darauf zu reagieren. Das wollen wir auch in diesem Fall so halten.
Die Wahl von s/w-Fotos für den Umschlag ist allerdings nicht „kundenfeindlich“ motiviert, im Gegenteil: Angesichts einer so bunten Konkurrenz kann man durchaus mit s/w-Fotos Aufmerksamkeit erregen. Vielleicht denkst Du eher an Pornomagazine, aber ich denke, dass Bücher andere Kunden (auf andere Weise) ansprechen als solche Hefte. Tja, wenn man nur wüsste, was „richtig“ ist!
Ich finde (Homo)Erotik sehr ergiebig. Manchmal ist es vielleicht etwas schwierig, die Perlen zu finden, aber auf der Suche bin ich immer. Im Heterobereich fand ich aktuell die Romane von Nalini Singh sehr ansprechend.
Meine Liste von Inspirationshilfen ist hier:
http://www.banzini.de/Verlag-Inspirationshilfen.htm
„Richtig“ ist meiner Meinung nach, Erotik als ein legitimes Literaturgenre grundsätzlich anzuerkennen und außerdem keine Angst vor ein bisschen Kitsch und Romantik zu haben.
Herzliche Grüße
N.
Joachim,
ich finde s/w-Fotos nicht „kundenfeindlich“. Es wäre anders sicher plumper, aber möglicherweise verkaufsfördernder, weil es der Erwartungshaltung enstpricht. Sehe ich ein Buch mit farbigem Hochglanzbild auf der Titelseite, in eindeutiger und etwas artifizieller Pose, dann weiß ich doch gleich: Porno! Ich brauch ja nicht einmal auf den Verlagsnamen gucken und weiß dennoch, es kommt aus diesem Verlag mit den vielen angeschlossenen Filialen, der an diesem Blog nicht beteiligt ist (und dessen Name an einen in Bayern erschossenen Braunbären erinnert).
Ebenso wie ich weiß, dass ein mattschwarzer Umschlag mit Motiv in Spotlackierung für einen Phantasy-Roman steht. Oder wenn ein Titel in einer schön kursiven Antiqua gesetzt ist dann weiß ich: Das ist ein Liebesroman (und lasse als Mann die Finger davon).
na ja, der ungenannte Kollege hat mir bei Erscheinen von „Davids Sommer“ auf der Buchmesse die Hand gedrückt und gesagt, dass er sich ein solches Cover nicht traut … Dieser Arsch hat im deutschen Buchhandel durchaus für Aufsehen gesorgt, auch bei heterosexuellen weiblichen Buchhändlerinnen, allerdings durchweg positiv. Leider findet man solche Fotos nicht alle Tage! Ansonsten müssen Format und rote Rahmengestaltung als Schlüsselreiz genügen (so wie mattschwarm mit Spotlackierung anderswo). Glänzende, farbige Waschbrettbäuche finde ich einfach scheußlich!
hm, leute die immer mit dem strom schwimmen, trauen sich ja meistens nie. selbst wenn sie schwul sind.
Wenn ihr Probleme mit Fotos habt und noch jemanden benötigt, der das Casting überwacht…
Spaß beiseite: Wann kommt denn mal ein Titelmotiv, das keinen Coverboy, sondern einen richtigen Mann zeigt? Vielleicht jenseits der Dreißig und mit flauschiger Körperoberfläche?
Es mag verwunderlich klingen, aber gute Fotos zu kriegen ist nicht einfach. Gute Fotografen finden im allgemeinen keine Verlage und geben es auf, s. Info Taubhorn. Martin E. Kautter, dessen Fotos auf den ersten Büchern der roten Reihe zu finden sind, gehört ebenfalls zu den Künstlern, die keine gelackten Clones ablichten, aber leider war sein Bildvorrat irgendwann erschöpft. Und Menschen mit flauschigen Körperoberflächen (Tele-Tubbies?) machen nur dann Sinn, wenn solche Männer in den Geschichten vorkommen, und Bärenpornos in dt. Sprache gibt es m.W. noch nicht.
@Joachim:
Dann lass doch ein passendes Cover zeichnen. Außerdem hatte das Sachbuch „Der Bärenkult“ ein sehr leckeres Cover, auf dem ein flauschiger Kerl abgebildet ist, möchte ich zu bedenken geben. In dem Buch gab es auch ein paar entsprechende Kurzgeschichten.
Und wenn es keine Bärenpornos in deutscher Sprache gibt, dann kannst Du das als Verleger ja ändern …
@ Banzi: Tut mir leid, als Verleger kann ich nur Bücher veröffentlichen, die auch geschrieben wurden. Vielleicht kraulen sich Bären lieber die Brusthaare, als sich mit so unsinnlichen Tätigkeiten wie Schreiben zu befassen. Den erotischen Reiz stark beleibter und behaarter Körper literarisch einzufangen wäre allerdings eine echte Herausforderung! Bärenfotos gibt es jede Menge, das wäre kein Problem.
Und gezeichnete Cover, das geht nur in ganz seltenen Glücksfällen gut, außer man macht Fantasy oder Jugendbücher.
Stark beleibte und/oder behaarte Körper nicht zu mögen, ist natürlich jedermann freigestellt. Zu behaupten, es gäbe keine deutschsprachigen Bärenpornos zeugt aber entweder von völliger Unkenntnis des literarischen Marktsegments „schwule Erotik“ oder von wahrhaft bemerkenswerter Ignoranz.
Lieber Bärnd,
falls Du TEXTpornos deutscher Autoren über Bären kennst, hast Du mir tatsächlich etwas voraus. Werden die als Samisdad auf Bärentreffen gehandelt, oder wo sind die erhältlich? Das würde ich wirklich gern wissen! Warum bist du so gereizt? Ich denke, aus meinem Eintrag von gestern dürfte durchaus hervorgehen, dass ich sehr gern solche Pornos herausbringen würde. Man wird als Verlag mit solchen Mengen von Manuskripten zugeschüttet, nur leider war noch nie was bäriges darunter!
Joachim,
aber Du kennst doch bestimmt „Ein Bär will nach oben“ von W. Kotzwinkle (der Autorenname ist wohl echt?). Diese wunderbare Beschreibung des Literaturbetriebs?
Sei also bitte vorsichtig, wenn ein Bär bei Dir ein Manuskript einreicht, vielleicht hat er das bei mir geklaut!
Verzeihung, aber ich hatte einfach gedacht, so ein schwuler Verleger behält den schwulen Buchmarkt genau im Auge. Ich empfehle einen Blick in die Reihen „Hiebe und Triebe“ (nicht den neuesten Band, aber zumindest die beiden vorangegangenen) und „Mein schwules Auge“. Die Stories in „Der Bärenkult“ wurden schon erwähnt. Und wie wäre es mit dem „Bear“-Magazin (Gibt’s das eigentlich noch?), das in seiner deutschen Ausgabe nicht nur amerikanischen Stoff nachdruckte? Außerdem findet sich bei einem bekannten schwulen Großverlag die Anthologie „Powerbären“. Kurzum: Man mag das thematisch nicht mögen, man mag es formal schlecht finden, aber es existiert. Und wenn Du wirklich einen Bärenporno (oder sogar mehrere) herausbringen möchtest, solltest Du vielleicht die in den genannten Publikationen erprobten Autoren mal darauf ansprechen, ob sie Dir etwas Entsprechendes liefern können.
In „Powerbären“ sind keine deutschsprachigen Autoren, in „Bärenkult“ gibt es keine Pornos, und in der dt. Ausgabe von Bear gibt es derzeit tatsächlich eine Fortsetzungs-Sexgeschichte, in der allerdings nichts „Bäriges“ vorkommt (und die eher putzig als erotisch ist). Ich mag das Schwule Auge als verrückte Anthologie, lese aber ehrlich gesagt die Texte nicht, weil sie fast immer von mieser Qualität sind. Dafür sind die Abbildungen Klasse, aber das bringt uns hier auch nicht weiter. Leider kann ich nicht jede schwule Veröffentlichung lesen, dann bliebe für andere Arbeiten keine Zeit mehr. Im Bereich Belletristik ist es zudem üblich, dass sich Autoren an Verlage wenden, und nicht etwa umgekehrt; durch „Pauls Bücher“ und die „rote Reihe“ setzen wir im Erotik-Bereich deutliche Zeichen, so dass ein Autor schon auf die Idee kommen kann, sich bei uns zu melden. In den Fällen, wo es echte Marktlücken gibt, wie z.B. auch im Military-Bereich, gehen wir tatsächlich selbst auf die Suche, aber das ist mühsam und hat bisher zu nichts geführt.
Ich werde zu diesem Thema einen eigenen Blog-Eintrag schreiben, vielleicht lockt das ja den einen oder anderen aus der Höhle …
Wenn z.B. Reinhard S. Luckaus „Bruno, eine Bärengeschichte“ in „Der Bärenkult“ nicht „pornographisch genug“ sein sollte, wäre über die Definition von „Porno“ und „Erotik“ und insbesondere über den literarischen Anspruch zu sprechen, welchen man eingelöst sehen möchte – hier im Verhältnis zu den „handfesten“ Elementen der Handlung. (Im „Schwulen Auge“ sind mir übrigens die Abbildungen oft zu platt – nach dem fünfzigsten schnurstracks in die Kamera gehaltenen Pimmel fühl ich mich, als hätte ich sechs Stück Sahnetorte hintereinander gegessen.) Außerdem hatte ich gedacht, Verleger leierten auch öfters Dinge an und warteten nicht vornehmlich darauf, was ihnen unaufgefordert auf den Tisch geflattert kommt. Aber o.k., wir werden sehen, was Dein angekündigter Eintrag bringt.
Wie gesagt: man leiert manches an, aber kaum jemals bei Romanliteratur, das liegt in der Natur der Sache – Fantasie lässt sich nicht an- oder abschalten!
Mal ein anderer Aspekt: Wenn es keine bärigen Porno-Romane gibt kann das ja auch noch andere Gründe haben. Wie das bei Marktlücken immer so ist: Entweder hat die Lücke noch keiner entdeckt, oder es gibt überhaupt keinen Markt für das Thema?