Rosa Winkel

Wir erinnern uns: Ende der 1980er Jahre mochte ein Großeil der Bevölkerung der DDR diesen Staat nicht mehr besonders, aber die Verantwortlichen dachten sich wohl: „gar nicht erst ignorieren“ und machten weiter wie bisher. Beim Verlag rosa Winkel ist es umgekehrt: viele Leser haben eine hohe Meinung von diesem schwulen Pionierverlag, aber der Verantwortliche hat die Lust verloren. Innerhalb von nicht einmal zwei Jahrzehnten ist die Welt so um zwei sehr eigentümliche Einrichtungen ärmer geworden. Bezüglich der DDR schrieb Gremlitza seinerzeit in der „konkret“, man könne das Terrain doch einfach in eine Art Reservat umwandeln, wo alle hingehen können, denen es „hier“ nicht gefällt; leider wurde dieser Vorschlag nicht aufgegriffen, auch wenn er gerade aus heutiger Sicht an Reiz gewonnen hat. Aber was machen wir mit dem Verlag rosa Winkel?Das letzte Buch in diesem Verlag ist 2001 erschienen („Das Mutterhaus“ über das Hotel „Deutsche Eiche“ in München), und im Mai 2005 wurde die Firma von Amts wegen aus dem Handelsregister Berlin Charlottenburg gelöscht. Bei der Verlagsauslieferung in Frankfurt liegen viele tausend Bücher, und die könnte man vielleicht als „Reservat“ erhalten: Die Ergebnisse von 25 Jahre schwuler Verlagsarbeit als Gesamtkunstwerk, das macht zwar etwas traurig, man kann es sich als Denkmal aber ganz gut vorstellen. Um Zugang zum Buchlager zu bekommen, müssen erst einmal zirka 5.000 Euro Schlulden getilgt werden, das wäre zu schaffen, wenn 50 Menschen je 100 Euro spenden. Wer das in Betracht zieht, kann sich eine Einzugsermächtigung auf der Homepage des Männerschwarm Verlags herunterladen. Und dann kann man sich die schöne Leiche näher anschauen und gucken, was sich damit noch machen lässt.
Ich fände es prima, wenn wir hier und anderswo kleine Geschichten über besondere Erlebnisse mit dem Verlag und seinen Büchern sammeln würden und das Reservat so ein wenig mit unserer Erinnerung bevölkerten. Friedrich Kröhnke hat in diesem Frühjahr ein eigenartiges Buch veröffentlicht („Samoa“), in dem er u.a. darum trauert, dass es keine Altenheime für Bücher mehr gibt. Wir können hier eine Seniorenresidenz rosa Winkel einrichten, wie wäre das?

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