Wer eine Warze hat, geht zu geheimnisvollen alten Frauen, um sie besprechen zu lassen. Danach geht es dem Patienten in vielen Fällen besser. Wenn Jan Feddersen Schwules bespricht, treten bei manchen Lesern Beschwerden auf, die sie vorher noch nicht hatten. Oft liegt das daran, dass der Rezensent die Buchveröffentlichung lediglich zum Anlass nimmt, um sich selbst zum Thema zu äußern. Man weiß dann nicht genau, ob er das Buch überhaupt gelesen hat.
Konkreter Fall: der Bildband „Schwullesbische Sichtbarkeit“ von Chris Lambertsen. Der Band dokumentiert die Veränderung der CSD-Paraden im Verlauf der letzten dreißig Jahre. Durch die Auswahl und die Anordnung der Bilder ergeben sich dabei immer wieder erstaunliche Einsichten, wie Hinnerk-Chefredakteur Stefan Mielchen bei der Eröffnung der Ausstellung zum Buch sehr anschaulich zum Ausdruck gebracht hat:
Voraussetzung einer solchen Besprechung ist eine intensive Auseinandersetzung mit ihrem Gegenstand, dem Buch. In der TAZ wird man stattdessen zum wiederholten Mal mit bestimmten Vorurteilen des Rezensenten konfrontiert: als strammer KB’ler hatte Jan Feddersen weder damals noch heute Verständnis dafür, dass Schwule ihre biederen Mitmenschen durch schrilles Auftreten verschrecken.
Das liest sich dann so:
Und selbst bei diesem Griff in die Mottenkiste der politischen Auseinandersetzung stimmt kaum etwas: bei den revoltierenden Gästen der Bar „Stonewall Inn“ in der Christopher Street handelte es sich nicht um „Schwule und Transsexuelle“, sondern um Latino-Tunten. Die braven amerikanischen Homo-Clones (und ihre deutschen Nachahmer) haben allen Grund, ihren effeminierten Brüdern und Schwestern dankbar zu sein. Natürlich kann Feddersen das nicht schreiben, da er sich gerade lang und breit über Tunten lustig gemacht hat. Und „zehntausende“ haben in Hamburg nun wirklich noch nie an einer CSD-Parade teilgenommen, das sind heute wie damals vielleicht 2.000 Personen, wenn es hochkommt. Durch Karnevalswagen sieht es natürlich mehr aus, die nehmen Platz weg. Und außerdem stehen viele Leute am Straßenrand, aber die wurden weder bei Paraden noch Demonstrationen jemals mitgezählt. Der Hamburger „Klappenskandal“, der nach Meinung des Rezensenten hätte erwähnt werden sollen, hat mit dem CSD nichts zu tun, und natürlich sind die Textbeiträge im Buch auch nicht „des Lobes voll“ (worauf denn auch?), sie vermitteln vielmehr, wie Schwule mit unterschiedlichen Interessenlagen den CSD einst und jetzt erlebt haben.
Es ist schade, dass der TAZ zum Thema „30 Jahre CSD“ so gar nichts einfällt. Da wäre es um einiges origineller gewesen, wenn man das große Interview mit Homo-Geschäftsmann Bruno Gmünder an diesem Tag veröffentlicht hätte: „Schwul und links geht nicht.“ Bruno kommt wenigstens auf den Punkt.
Ich erinnere an das erste Büchlein aus der Schwulenbewegung mit dem Namen „Tuntenstreit“ aus dem Jahr 1975 (Verlag rosa Winkel/Vertrieb Polit)
Heute gibt es Männer aus Latein-Ländern, die sich als perfekte Frau stylen, um heterosexuellen Männern zu Liebesdiensten zu sein. Diese meint Jan Feddersen wohl nicht! 😉