„Schön waren die braunen Augen von Hans-Peter, Bernds Po und Günters kupfernes Glied. Wie merkwürdig, der rotharige Klassenclown hatte dieses Ding, das aussah, wie auf dem Sprung; Ergebnis meiner Studien im Umkleideraum der Schwimmhalle. Niemand aber erreichte Niklas mit seinen apfelroten Wangen und seinem ausrasierten Nacken.“
Ulf Erdmann Zieglers Schreiben (aus seinem Roman „Hamburger Hochbahn“ habe ich hier schon mal ein kleines Stück präsentiert) ist sehr autobiographisch geprägt. Jetzt ist eine „Autogeografie“ unter dem Titel „Wilde Wiesen“ erschienen, eine Hommage an die Orte, die seine Kindheit und Jugend geprägt haben. Dabei schreibt er keine Geschichten, was für ein toller Kerl er gewesen ist, kein „ich, ich, ich“. Auch der großen Versuchung, alles und jedes ins Witzige zu ziehen, zu ironisieren, widersteht er. Seine Geschichte an den Orten und ihrer „Bedeutung“ entlang zu schreiben hat Folgen: Er stellt sich, sein Alter ego, in sehr verschiedene Kontexte (Familie und kirchliche Jugendgruppe Stadt und Land, Ferienaufenthalt und Schüleraustausch, …) in den siebziger Jahren, rückt seinen Protagonisten aber aus dem Mittelpunkt heraus; er erzählt keinen „Bildungsroman“ oder Entwicklungsgeschichte.
Das ist erst einmal ganz allgemein interessant und auch amüsant zu lesen und teilt in Zwischentönen und Bildern sehr viel über die Zeit mit. Wenn er immer wieder auch von homoerotischen oder homosexuellen Erlebnissen erzählt, wirkt das im Kontext ganz „normal“, eher beiläufig, weil es seine „Bedeutung“ in der Situation entfaltet und im Nachhinein keine „Bedeutung“ zugewiesen bekommt – nach dem Motto: da liegen also die Wurzeln für diese oder jene spätere Entwicklung, Macke, … So ähnlich gehen auch Bodo Kirchhoff oder Ralf Rothmann mit „dem Thema“ um. Wenn man das in dieser „Normalität“, mal ohne folgendes Coming-out-Drama und tiefe Konflikte mit Eltern, Freunden und Gesellschaft liest, mag man sich fragen, warum es nicht viel öfter in der Literatur vorkommt. Genauso die Beobachtung des schwulen Paares mit „Schwiegereltern“ im Restaurant in „Hamburger Hochbahn“ (Hier im Blog mal eben „Hochbahn“ suchen – da steht’s): Die kleine Szene hält genau beobachtet fest, wie sich unwohl sich die „Schwiegereltern“ mit dem schwulen Paar in der Öffentlichkeit fühlen und zeigt so die „Bedeutung“ des Schwulseins im Mikrokosmos dieser alltäglichen, so oder so ähnlich bestimmt von jedem Hetero schon erlebten oder beobachteten Situation. Wenn solche „Normalitäten“ öfter mal in der Literatur vorkämen, würden …
Habe ich jetzt wieder gepredigt? Nein, gerade noch die Kurve gekratzt.
Ein Glied auf dem Sprung – da bin ich aber neugierig! Heißt das: „Ich bin dann mal weg“, geht es um Stabhochsprung oder was? Das muss ich jetzt wahrscheinlich wieder selbst nachlesen, so’n Mist …