Phaedra liebt ihren schoenen Stiefsohn Hippolytos, doch der hat keine Augen fuer sie. Als begeisterter Jaeger dient er allein Artemis. „So jedenfalls sagt es die vornehme Ueberlieferung“, erklaert Bella Blocks Geliebter Kranz in Doris Gerckes neuem Krimi „Schweigen oder Sterben“: „Ich wuerde sagen, der Junge war ganz einfach schwul und wollte deshalb von Phaedra nichts wissen.“
Wie dem auch sei, die Sache hatte toetliche Folgen. Genauso wie fuer Gianluca, der die Liebe seiner Stiefmutter Anabella nicht erwidert und vor dem Haus seiner richtigen Mutter erschossen wird. Bella hat sich zwar noch dazwischen gehechtet, aber … Und der schoene Sizilianer Gianluca ist tatsaechlich schwul!
Doris Gercke gehoert zu jenen, die der Aufforderung nachgekommen sind und als Heteros/Heteras Beitraege fuer die Anthologie „Schwule Nachbarn“ geschrieben haben und sich somit literarische Gedanken ueber ihre schwulen Mitmenschen gemacht haben. (Sonst kommt so etwas ja selten vor.)
Ob sie diese Beschaeftigung jetzt zu einer schwulen Figur in ihrer Bella-Block-Reihe angeregt hat??
Schoen waers doch!
Homosexualität als Schutz der Stiefmutter? Nach den eigenartigen Fantasien, denen sich Vargas Llosa im „Lob der Stiefmutter“ hingeben hat, wäre das ja schon mal was! Aber warum muss man dann sterben?
Wer wird da vor wem geschützt? Gianluca wird erschossen; Hippolyt überlebt zwar, aber Phaedra erhängt sich aus verschmähter Liebe. Und Alfonsito droht brieflich seiner Stiefmutter, die er begehrt (im Unterschied zu Hippolyt und Gianluca), sich das Leben zu nehmen. Alles Variationen auf das Ödipus-Iokaste-Thema? Dann muss wohl auch gestorben werden… Gehört sich so.
Hilfe! Ich wollte ja nur aus dem Urlaub heraus, nach spannender Strandlektüre, auf einen Krimi (!) aufmerksam machen, den eeine Autorin geschrieben hat, die sich bei Männerschwarm an einer Anthologie beteiligt hat!
Aber dieses Blog ist für solcherlei kleine Hinweise wohl nicht geschaffen. Ich hätte natürlich ein Seminar in Mythologie belegen, das Ende des Krimis verraten und alles schön aufdröseln müssen, meine Herren Oberseminaristen. Selbstverständlich geht das nicht ohne ein paar Querverweise, wer einen Mythos (so heißt übrigens das griechische Bier, dass ich während der Lektüre auf Naxos, auch das noch!, getrunken habe) vielleicht auch noch aufgegriffen hat, was Vargas Llosa trinkt, wer womöglich falsch variert und ob die Stiefmutter bei Doris Gercke am Ende womöglich nicht durch Homosexualität geschützt wurde, sondern …
Ich bekenne mich schuldig und kann nunmehr vor der Lektüre des Krimis nur warnen, da hier womöglich gänzlich falsch gestorben wird oder richtig, aber das dann nicht von vornherein deutlich genug herausgearbeitet wird.