Archiv der Kategorie: Cruising

Schaufenster, Nachttisch, Grabbeltisch

Stephen McCauley: Insignificant Others (2010) sind leider wenig signifikant

Der Titel ist ein Wortspiel. Armistead Maupin beendete seine „Tales of the City“ mit dem Band „Significant Others“ (dt. „Schluss mit lustig“), da auf dem Höhepunkt der Aidskrise das Zusammenleben der Schwulen eine andere Verbindlichkeit annahm als zuvor. (Nach einer großen Pause gibt es inzwischen zwei Fortsetzungsbände der „Tales“.) McCauley, der als Autor mit dem Roman „Object of my Affection“ berühmt wurde, benutzt die etwas flapsige Formulierung des „Unbedeutenden Anderen“ als bewusstes Gegenmodell zur großen Liebe der jungen Jahre: Der gesetzte, in fester Beziehung lebende Großstadthomo kann es sich leisten, hin und wieder etwas Unwichtiges nebenher laufen zu lassen. Damit hat er bei mir die Erwartung geweckt, dass sich im schwulen Mainstream der USA vielleicht eine kleine Gegenbewegung zu dem niederschmetternden Spießertum abzeichnen könnte, das mit den Romanen David Leavitts begann und durch die Figur des schwulen Michael in der HBO-Soap „Six Feet Under“ abschließend zum Ausdruck gebracht wurde. Weit gefehlt, statt eine Lanze für die Vielfalt der Lust zu brechen, exerziert McCauley lediglich eine Nullhypothese durch: Die Eingangsthese, eine gute Beziehung könne einige „insignifivant others“ durchaus vertragen, wird im Laufe des Romans zurückgenommen, die holde Zweisamkeit triumphiert. Die auf gut 200 Seiten überaus wortwitzig dahinplätschernde Handlung ist zudem leider zu leicht und luftig angerührt, als dass sie die Fragestellung nebst Auflösung mit dem Maß an Substanz unterlegen könnte, das immerhin die innere Auseinandersetzung mit dem Problem zu einem lohnenden Unternehmen machen würde.
Worum geht’s?
Ricky und Conrad sind seit langem ein Paar. Ricky arbeitet in einer Software Firma, die mit dem Problem zu kämpfen hat, dass die jüngeren Mitarbeiter regelmäßig nach sehr kurzer Zeit den Job wechseln – eine ganz andere Generation, die ganz anders lebt, weshalb es gerade so wichtig wäre, sie zu integrieren. Ricky hat mit zwei Baustellen gleichzeitig zu tun, bis er schließlich lernt, dass Offenheit der beste Weg zu einer Lösung ist, denn die anderen sind zwar nicht vorhersehbar, aber vernünftiger, als man denkt.
Conrad betreibt zusammen mit Doreen eine Beratungsfirma, die Neureichen dabei hilft, für ihre teuren Häuser teure Kunstwerke einzukaufen. Seine Klienten leben überwiegend in Florida und Texas, weshalb er viel auf Reisen ist.
Beide Männer sind in ihren Vierzigern, aber bestens durchtrainiert und sexuell aufeinander abgestimmt: Ricky ist der Ficker. Beide haben wohl hin und wieder andere Affären und nehmen das nicht so genau. Ricky allerdings ist seit mehreren Jahren mit dem verheirateten Hetero Benjamin befreundet, mit der er gemeinsam ein kleines Appartment gemietet hat, in dem sie sich treffen können. Er gibt es nicht zu, aber er ist in Ben verliebt. Ben ist ständig von schlechtem Gewissen geplagt, was ihrem Sex durchaus gut tut. Nachdem die beiden schließlich Schluss gemacht haben, stellt sich heraus, dass Bens pubertierender Sohn ahnt, was sein Vater heimlich treibt, seine Lebenslüge platzt.
Zunächst führt es jedoch zu Komplikationen, dass Ricky eine SMS auf Conrads Handy liest, die von einem Clarke stammt, der das nächste Treffen mit Conrad kaum noch erwarten kann. Es stellt sich heraus, dass Clarke ein Mann Anfang sechzig ist, der in Ohio lebt und recht wohlhabend ist. Clarke möchte gern mehr von Conrad haben, und Conrad fährt für längere Zeit nach Ohio, Ricky und Conrads Geschäftspartnerin Doreen bleiben jeweils „verwitwet“ zurück. In Conrads Abwesenheit begreift Ricky, dass es falsch war, aus der Gewöhnung der langjährigen Beziehung heraus die Lösung bei anderen Männern zu suchen, anstatt diese Energie in die Beziehung zu stecken, und da auch bei Benjamin die Schuldgefühle überhand nehmen, trennen die beiden sich. Conrad kommt früher als erwartet aus Ohio zurück, erklärt, dass das nicht das richtige gewesen sei, und dass sie doch beide ihre Affären bleiben lassen sollten. Ricky sagt ihm, er habe seine schon beendet. Friede, Freude, Eierkuchen.

„Fag Love“ von Peter Rehberg revisited

Peter Rehbergs Roman „Fag Love“ ist im Frühjahr 2005 bei Männerschwarm erschienen, insofern ist es schon ein „altes“ Buch, das aus der zeitlichen Distanz neu betrachtet werden kann. Es handelt sich um einen hemmungslos subjektiven Text, gewissermaßen einen lyrischen Roman, in dieser Hinsicht mit Hervé Guiberts späten Büchern zu vergleichen, nur um eine Richtung anzugeben. Heute, knapp sieben Jahre später, ist die Bedeutung dieses Romans womöglich noch gewachsen, denn literarisch anspruchsvolle Werke schwuler Autoren sind in letzter Zeit nur wenige erschienen. „Fag Love“ von Peter Rehberg revisited weiterlesen

Gehackt

Liebe Blogleser,
böse Menschen haben diesen Blog gehackt und irgendwelchen Unfug damit angestellt, jedenfalls führte das dazu, dass schwule-literatur.de abgeschaltet wurde, ohne dass wir das gemerkt haben. Jetzt ist er wieder da, er sieht anders aus, aber inhaltlich ist alles beim alten.
By the way: wer immer die Lust verspürt, hier eigene Themen zu verfolgen, ist herzlich dazu eingeladen. Einfach eine Mail an grumbach@maennerschwarm.de senden, dann werden Autorenrechte erteilt.

Von Kleist lernern heißt verlieren lernen (zum 200. Todestag)

Aus Anlass seines Todestags 8 Thesen zur Außenseiterthematik bei Kleist:
1. Kleist hat zu Homosexualität und schwulem Leben nichts zu sagen, wenn man unter schwuler Literatur die Erörterung von Wertkonflikten, Persönlichkeitsentwicklungen und besonderen Herausforderungen versteht, die sich aus dem Leben homosexueller Menschen ergeben.
2. Kleist schreibt vielmehr über Außenseiter, für die die universellen Versprechen von Staat, Gesellschaft und familiärem Zusammenleben nicht gelten. Insofern thematisiert er nicht wie in der antiken Dramentradition die Austragung von Konflikten, sondern vielmehr den Ausschluss bestimmter Personen von den etablierten Konfliktlösungsmechanismen sowie die Art und Weise, wie die solcherart diskriminierten Personen darauf reagieren. Von Kleist lernern heißt verlieren lernen (zum 200. Todestag) weiterlesen

Die TAZ, Jan Feddersen und der CSD

Wer eine Warze hat, geht zu geheimnisvollen alten Frauen, um sie besprechen zu lassen. Danach geht es dem Patienten in vielen Fällen besser. Wenn Jan Feddersen Schwules bespricht, treten bei manchen Lesern Beschwerden auf, die sie vorher noch nicht hatten. Oft liegt das daran, dass der Rezensent die Buchveröffentlichung lediglich zum Anlass nimmt, um sich selbst zum Thema zu äußern. Man weiß dann nicht genau, ob er das Buch überhaupt gelesen hat. Die TAZ, Jan Feddersen und der CSD weiterlesen

„Ich bin kein Date!“ – oder: der zauberhafte Dr Watson

Eine neue Verfilmung der BBC erklärt, wie man heutzutage das Verhältnis von Sherlock Holmes und Dr Watson auffassen würde, und das Ergebnis ist eine reine Freude. „Ein Fall von Pink“, der erste Film einer Miniserie, war nun auch im deutschen Fernsehen zu sehen und ist geradezu ein Lehrstück dafür, wie man eine ungewöhnliche Männerfreundschaft inszenieren kann, ohne wie sonst zumeist hinter vorgehaltener Hand zu kichern. „Ich bin kein Date!“ – oder: der zauberhafte Dr Watson weiterlesen

Hinnerk beschützt Hamburger Schwule vor Tony Duvert

Ein seltener Fall: Nachdem der Hamburger Monatsanzeiger „Hinnerk“ den Roman „Als Jonathan starb“ nicht redaktionell besprechen wollte, versuchte der Verlag das Buch durch die Schaltung einer Anzeige im Heft bewerben, einer Anzeige, die den Text einer für die Arbeitsgemeinschaft Schwuler Monatsblätter geschriebenen, aber nicht gedruckten Rezension verwendet. Nachdem die Anzeigenschaltung rechtsgültig vereinbart war, weigerte sich der Herausgeber, die vom Verlag gelieferte Anzeige abzudrucken und auch, die Gestaltungskosten dieser Anzeige zu übernehmen. Hinnerk beschützt Hamburger Schwule vor Tony Duvert weiterlesen

Duvert und Lindgren und der Sprung in ein besseres Leben

Wer Tony Duverts Roman „Als Jonathan starb“ liest, bekommt auf eine ganz entscheidende Frage keine Antwort: Wann ist Jonathan denn nun gestorben? Durch den Hinweis des Lesers Stefan Broniowski wissen wir nun, dass sich die Antwort darauf vielleicht bei Astrid Lindgren findet, genauer gesagt in ihrem Roman „Die Brüder Löwenherz“. Wir überlassen es anderen, herauszufinden, ob Duvert diesen Roman gekannt hat oder hätte kennen können, und präsentieren ganz einfach nur die Fakten. Sollte keine Kausalität vorliegen, so gibt es immerhin eine verblüffende Koinzidenz. Duvert und Lindgren und der Sprung in ein besseres Leben weiterlesen

Wilde und Shaw

Oscar Wilde wird gern als Boulevardschriftsteller abgetan, aber man muss sich nur ein Stück des selten aufgeführten G.B. Shaw ansehen, um seine Meisterschaft zu erkennen. In Hamburg gibt das English Theatre derzeit „Mrs Warren’s Profession“, das sicher zu Shaws Highlights gezählt werden kann. Da die Inszenierung leider vollkommen ideenlos heruntergehaspelt wird, bleibt einem die Einsicht nicht erspart: Das ist politisch engagiert, aber herzlich langweilig. Wilde und Shaw weiterlesen

Dave Monroe, Pornografie und Sexualität

Dave Monroe, Philosophiedozent mit Vorliebe für populäre Herangehensweisen an „große“ Fragen, hat zehn Autoren zusammengetrommelt, um deren Essays über Pornografie als „Philosophie für Verdorbene“ herausgegeben. Das Buch zeigt wieder einmal zweierlei: Über solche tendenziell frivolen Themen wird in den USA sehr viel anders nachgedacht als in Europa, und: „Männer & Frauen“ haben Probleme, die „Männer & Männer“ nicht haben – und zugleich sind sie leider so dumm, von „Männer & Männer“ nicht lernen zu wollen. Dave Monroe, Pornografie und Sexualität weiterlesen