Autor beim Verlag Kiepenheuer und Witsch zu sein erweist sich wieder einmal als Abenteuer. Hatte erst vor wenigen Jahren eine anonyme Literaturwissenschaftlerin versucht, Kiepenheuer-Autor Zaimoglu als Plagiator von Kiepenheuer-Autorin Özdamar zu „entlarven“, so wird das Klima nun rauer, indem Kiepenheuer-Autor Diez Kiepenheuer-Autor Kracht als rassistischen Herrenmenschen bloßstellt, es dann aber wohl doch nicht so gemeint hat. Nun ja, andere Verlage, andere Sitten.
Nachdem Herr Kracht in seinem „Faserland“ nicht mehr heimisch ist, befindet er sich auf Reisen, und da er Schriftsteller ist, schreibt er darüber. Damit das nicht ganz so banal daherkommt, verwendet er seine frisch erworbene Ortskenntnis für historische Travestien: „Imperium“ gibt vor, in den pazifischen Besitztümern des letzten deutschen Kaiserreichs zu spielen, wo der versponnene Vegetarier Engelhardt die Welt mit Hilfe der Kokosnuss zu retten versucht. Man denkt sofort Mr. Smith, der in Graham Greenes „Comedians“ auf Haiti vegetarische Produkte in Mode bringen will (in der Verfilmung gespielt von Paul Ford). Für eine Nebenfigur mag das angehen, sich für die Hauptfigur Engelhardt zu interessieren fällt dagegen nicht ganz leicht.
Unter der Überschrift: „Wir wollen nun über die Liebe sprechen“, bekommt Engelhardt unverhofften Besuch: Aueckens, ein blonder junger Mann von Helgoland, sehr beziehungsreich, da Helgoland gerade erst gegen Sansibar und andere Inseln von England eingetauscht wurde. Aueckens ist „ein erstklassiger Mistkerl“ und schwul. Sofort erzählt er, wie er erfolglos versucht hat, einen jungen Helgoland-Touristen recht rabiat zu vernaschen. Den Misserfolg führt er darauf zurück, dieser junge Mann sei ein ungewaschener Jude gewesen. Als er kurz nach seiner Ankunft den malaiischen Boy Engelhardts, Makeli, brutal vergewaltigt, wird er, mit einem runden Gegenstand erschlagen, tot aufgefunden. Makeli verehrt seinen weißen Herrn seitdem noch inniger.
Kracht mag hier ein wenig durcheinander gekommen sein. Selbst heute, wo in der Tat viele Homosexuelle diese Weltgegend als Sextouristen bereisen, sind die heterosexuellen Europäer weit in der Überzahl, umso mehr zu Beginn des 20. Jhdts. Man ist es irgendwann leid, dass der Bösewicht, der im Roman kurz sein Unwesen treibt und dann natürlich sterben muss, so penetrant und einfallslos ein Schwuler zu sein hat. Und man fragt sich, was die Gegenüberstellung des brutalen Vergewaltigers einerseits, des innig verbundenen Freundespaares Engelhardt-Makeli andererseits wohl zu bedeuten haben mag.
Wer sich für deutsche Herrenmenschen im Kolonialdienst S.M. interessiert, dem sei Hans Dieter Schreebs Roman „Hinter den Mauern von Peking“ aus dem Jahr 1999 empfohlen, auch hier ist der Herrenmensch schwul, aber immerhin eine der Hauptfiguren. Kracht ist in Sachen politischer Korrektheit sicherlich nichts vorzuwerfen, dafür ist sein „Imperium“ ganz einfach zu zahnlos, vor allem, wenn es Vergleiche zu Graham Greene provoziert.