Obwohl es viele Äußerungen im Kulturbetrieb gibt, die in der Lage sind, Brechreiz auszulösen, ist der Versuch vieler Exilliteraten, die Verwerflichkeit der Nazis durch Hinweise auf ihre tatsächliche oder vermeintliche Homosexualität deutlich zu machen, ein absoluter Höhepunkt. KZ – nicht so schlimm, schwul – igitt! Das ist bodenlos in jeder Hinsicht.
Klaus Mann hat in „Mephisto“ zweierlei geleistet: er verdammt den prominenten Mitläufer „Höfgen“, und er nimmt einen gutgläubigen und unbedeutenden Nazi in Schutz, einen kleinen Schauspieler, der vor und nach Hitlers Machtübernahme wie der letzte Dreck behandelt wird. Bekämpfenswert ist der Nationalsozialismus, doch um das leisten zu können, muss man sich die einzelnen Menschen, die Opfer dieser Ideologie werden (denn solche Opfer sind ja selbst die Nazi-Täter!), schon mal genauer angucken. Klaus Manns alter ego Sebastian und seine Schwester tun das, und das hat nichts mit Verharmlosung zu tun.
Bei uns im Verlag wird voraussichtlich im Frühjahr unter dem Titel „Radikal“ ein Roman über einen schwulen Neonazi erscheinen, dessen Autor Uwe Szymborski sich die Vorstellung einer Täterperspektive zur Aufgabe gemacht hat. Das liest sich faszinierend, ist aber verdammt schwer zu machen. Das Schwulsein ist in diesem Fall der Knacks in der Persönlichkeit, der dem Protagonisten schließlich den Weg zum Ausstieg zeigt – leider kein allgemeingültiger Lösungsversuch für dieses Problem, aber hoffentlich ein interessanter. Mehr dazu ab Februar auf www.maennschwarm.de.