Es gibt schon so viele Kommentare zu Axel Schocks Beitrag über Buchcover, dass ich das Thema hier noch einmal neu aufgreifen möchte. Bis jetzt hatte sich die Diskussion so ziemlich am Himmelstürmer Verlag festgebissen, und wenn es auch interessant zu erfahren ist, dass zwar der Verleger sagt, auf den Inhalt kommt es an, doch ein Autor widerspricht und den Fleisch-Zwang anprangert, ist dieser Aspekt ja nicht der einzige, der sich bei diesem Thema zu diskutieren lohnt. Nur eine kleine Anmerkung kann ich mir nicht verkneifen: Ebenso wie der Leser zu seinem Geschmack stehen und „öffentlich“ lesen sollte, was er sich schließlich freiwillig gekauft hat, sollte auch der Verleger ein Konzept, das nun wirklich offensichtlich ist, nicht vertuschen wollen: Offenbar mögen ja viele Leute diese Umschläge und Inhalte, da kann ihm doch egal sein, was die anderen denken. Suhrkamp und DTV machen es ja auch nicht anders, wie wir bei unseren Taschenbuchlizenzen erleben. Auf unserer Ausgabe von Avni, „Der Garten der toten Bäume“ sitzt ein junger Mann klein und verloren auf der Kante seines Bettes, Suhrkamp fand das nicht verkäuflich genug und rückte ihn in den Vordergrund, erotischer Reiz statt Melancholie. Oder Larry Ebmeiers „Spätsommer“: Wir hatten uns in diesem Fall vielleicht etwas zuviel gedacht und ein sehr „erzählendes“ Bild für das Cover genommen, ein Mann mit Maske, ein zweiter Mann, der ihn zu berühren versucht – da nimmt DTV doch lieber einen badenden Jüngling und verkauft drei Auflagen, während unsere Ausgabe ein Flop war. Ich glaube, die meisten Leser wollen ganz einfach ein schönes Objekt, während die Verleger (=wir) ein „passendes“ Cover suchen. Von hier aus könnte man wieder auf Himmelstürmer kommen und fragen, ob die Cover dieses Verlags eigentlich „schön“ sind, wenn auch viele Leser die abgebildeten Jünglinge gern mal persönlich kennen lernen würden – die Schönheit des Models garantiert nicht unbedingt die Schönheit der Gestaltung. Neben dem „schönen Objekt“ spielt also sicher auch die Sehnsucht eine Rolle, der Traum vom schönen Jüngling, über dessen dramatisches Schicksal der Roman zu erzählen verspricht. Wenn die „Verheißung“ stimmt, spielt die Ästhetik dann keine Rolle mehr. Mit der Art seiner Buchgestaltung sagt der Verlag in erster Linie etwas darüber aus, welche Leser er erreichen MÖCHTE – ob ihm das schließlich gelingt, ist natürlich eine andere Frage. Leser wie Autoren können an der Gestaltung ablesen, wie der Verlag einen bestimmten Text einschätzt.
Der Buchmarkt, also Verlage, Vertreter, Buchhändler und Rezensenten, sind voller Vorurteile, wie ein Buch aussehen darf oder nicht. Die schwulen Buchhändler haben uns einmal vorgeworfen, ein Buch sei zu „braun“; unsere Vertreter meinten, kein vernünftiger Mensch mache grüne Bücher; Rezensenten der großen Feuilletons nehmen Neuerscheinungen ohne Schutzumschlag nicht ernst – das ist alles vollkommen albern, aber vollkommen real. Und weil ich weiß, dass wir schon viele Bücher durch das falsche Cover „abgewürgt“ haben, d.h. die Leser falsch angesprochen haben, wäre ich sehr gespannt darauf zu erfahren, was die Blog-Leser eigentlich von den Männerschwarm-Covern halten. Wir sind ja lernbegierig und hoffentlich auch -fähig. Jenseits der ehrenwerten Position, es gehe nur um den Inhalt, hat ganz bestimmt jeder und jede seine Vorlieben, Bücher, nach denen man schneller greift als nach anderen, und da man VOR dem Griff ja noch nichts über den Inhalt weiß, kann das eigentlich nur woran liegen? Genau.
Ich habe bis jetzt immer versucht, bei der Mitsprache am Cover zu meinen Büchern den wirklich halbnackten Hochglanzjungen abzuwenden. Wirklich gut finde ich die Covers von „Dunkle Flüsse“ und „Patrick´s Landing“, weil bei diesen Bildern das Gesicht im Mittelpunkt steht und – meiner Meinung nach – auch eine Verbindung zum Inhalt hergestellt wurde.
Was nichts daran ändert, dass die Verkäufer in einem schwulen Buchgeschäft in Wien die Cover ablehnen, da der geöffnete Mund des Models auf „Dunkle Flüsse“ obszön sei und Gewaltphantasien fördere. Ach, wirklich?
Und jetzt zu etwas ganz anderem 🙂
Aus meiner Sicht ist es nicht nur das Cover eines Buches, sondern auch die Machart. Ich weiß, dass Verlage, die via BOD produzieren (Aber selbst kein BOD Verlag sind) kostendeckend kalkulieren müssen. Dennoch kommt es bei (schwulen) Kleinverlagen übermäßig oft vor, dass ein Buch „billig“ wirkt – ohne jetzt auf Inhalt und Titelbild einzugehen. Manchmal – und das ist nur meine persönliche Meinung – haftet den solcherart publizierten Büchern der üble Beigeschmack von Hochglanzramsch an. Und das macht mich dann doch etwas unglücklich.
Ich gebe zu, dass ich gerne meine Bücher in einer „feineren“ Aufmachung sehen würde. Wenns nur ums publizieren ginge, würde mir mein Blog genügen + 2 oder 3 Literaturforen, wo man sich gegenseitig mit handgestrickten Texten zukleistern kann.
Ich halte die Gestaltung der Männerschwarm Bücher für ziemlich gelungen; bin da kein Fachmann und kenne die Fachbegriffe nicht – aber da stimmt so ziemlich alles: Das Papier, die Kartonierung, das Schriftbild. Da hat man einfach mehr das Gefühl, dass ein Buch gemacht, und nicht einfach ein Word Dokument formatiert und zwischen zwei Hochglanzpappendeckel geschludert wurde. Da haben verschiedene Verlage vielleicht noch einiges aufzuholen.
Nochmal ein kurzer Abstecher zur Covergestaltung: Von mir aus bräuchte es überhaupt keinen halbnackten Jüngling (Allein das Wort Jüngling finde ich dermaßen zum kotzen … ) auf dem Cover. Ich mag Gesichter – da liegen ganze Geschichten drin. Mir persönlich geht es so, dass mich der schönste Körper absolut kalt lässt, wenn der betreffende Mann oder Bursche kein ansprechendes Gesicht hat. Die Fokussierung auf den jungmännlichen (auch ein Scheißwort, ok) Oberkörper vermittelt meiner Meinung nach Oberflächlichkeit zum Quadrat – Quasi, wenn die Story nix taugt, kann man sich ja noch immer einen auf das Cover runterholen, Abwischpapier inklusive, au!
Tolle Fotos, die ich gerne als Cover benutzen würde, hat zum Beispiel Larry Clark geschossen, googlest Du 🙂 Oder Bill Henson. Da ist Grind und Leben drin …
lg/Peter
Na ja, aber mit Gesichtern ist es so eine Sache: Das Cover soll ja die Fantasie des Lesers nicht festlegen. Der Hauptvorteil von Literatur gegenüber visuellen Medien ist ja der, dass man sich die Figuren etc. selbst vorstellt, aber sobald da ein komplett zu erkennender Mensch vorne drauf ist, sind der Fantasie arge Zügel angelegt, oder?
Gut, Gesichter hast Du aber quasi bei allen Covern, auf denen auch halbnackte Jungs zu sehen sind. Ich meine auch, dass angezogene Models in ihrem „typischen“ Lebensumfeld gut auf ein Cover passen würden. Was zu vermeiden wäre, ist die plakative Darstellung jugendlicher Reize – finde ich.
Hab übrigens gerade meine Lieferung von Amazon bekommen: Schlimme Engel. Hier gefällt mir die gesamte Buchgestaltung außerordentlich gut. Zur Geschichte kann ich mich ja noch nicht äußern 🙂
lg/Peter
Versagt die schwule Literaturkritik?
Über Cover wird ja vortrefflich gestritten hier. Womit man sich in der U-Bahn besser nicht sehen lässt, was die Autoren wünschen, was Verleger für verkäuflich halten …
Was macht aber eigentlich ein gutes schwules Buch aus?
Ich meine ja, dasselbe wie ein gutes heterosexuelles Buch.
Und natürlich ist der Hetero-Buchmarkt gespalten in zahlreiche Segmente: ins Hochliterarische mit anspruchsvollen Covern bis hin zum Lore-Roman, mit dem ich mich auch nicht in der U-Bahn sehen lassen wollte. Aber ich kaufe ihn ja auch nicht! :-))
Wer aber ein Buch kauft, aus welchem Segment auch immer, entscheidet sich für dieses Segment und keiner regt sich auf …
Im Schwulen Buchmarkt ist die Aufregung wahrscheinlich eher da, weil er so klein ist, dass er nicht in Segmenten wahrgenommen wird, sondern als „Einheit“. Und mancher (Käufer, Verleger, Autor) möchte sein Segment als für das Ganze sehen. So soll schwule Literatur sein!!
Vielleicht müssen die Rezensenten hier klarer und mutiger differenzieren:
Schwule Lore- (oder besser: Heinrich-?) Romane als solche kennzeichnen, aber damit nicht erledigen, sondern dann sagen, warum das ein guter Heinrich-Roman oder ein schlechter ist!
Und Pornos als Pornos besprechen und sagen, was eigentlich einen guten oder einen schlechten Porno ausmacht!
Und vielleicht auch sagen, was „gute Literatur“ ist und diese dann literarisch bewerten.
Und vielleicht muss viel mehr darüber gesagt werden, wie (!!) eine Geschichte aufgebaut und erzählt ist, nicht nur was drinsteht, ob geil oder spannend.
Ich mein ja nur …
Aber das passiert ja längst auch – oder?
Wenn eine Buchrezension immer so wäre, wie der Verlag und / oder der Autor es sich erträumt, ja das wäre toll 😉
Aus Rezensentensicht finde ich, dass die Frage ‚Versagt die schwule Literaturkritik‘ der falsche Ansatz ist. Ein Kritiker kann nicht ‚versagen‘, er kann nur seine Meinung sagen und die ist Mal mehr, Mal weniger differenziert, Mal aus dem Bauch heraus, Mal umfangreich begründet, Mal dieses, mal jenes …
Die der Überschrift folgenden Argumente von Detlef Grumbach würde ich weitgehend unterschreiben, möchte aber dennoch Folgendes zu bedenken geben:
Auch wenn ein Rezensent alle von Herrn Grumbach vorgeschlagenen Hinweise beachtet, kann dennoch eine Rezension herauskommen, die dem Verleger / dem Autor nicht gefällt.
N. Banzi
Mal ehrlich – liebe Frau Banzi – hätte mein Kommentar Sie gereizt, wenn er nicht ein bisschen provokativ aufgemacht wäre? Man muss hier jas schließlich darauf achten, welche Worte oben in der Liste der neuen Kommentare auftauchen. Alles Marketing! 🙂
Aber zum Inhalt: Nein, Rezensionen sollen und dürfen nicht zum Gefallen von Autoren und Verlegern geschrieben werden!! Sie dienen in erster Linie der Orientierung der Leser.
Andersherum – Verlage freut es doch beim ersten Hinsehen gerade, wenn da steht: Geiles Buch! Spannendes Buch! Anrührendes Buch! Das ist doch die beste Werbung! Aber es sagt dem Leser oft doch nur recht wenig.
Egal ob zum Gefallen oder Missfallen von Autoren und Verlegern sollten Rezensionen kritisch bewerten, sie sollen argumentieren. Aber dazu gehört erst einmal, dass ein Buch irgendwo eingeordnet wird (und wenn es ein „Heinrich-Roman“ ist und in der Rezension erst einmal dort rubriziert wird, wird sich niemand mehr über das adäquate Cover aufregen müssen), damit die Relationen deutlich werden. Dazu gehören dann natürlich auch Maßstäbe, die ein Rezensent anlegt, egal, ob ausdrücklich oder in der Diktion, im Urteil implizit erkennbar. Wie rührt ein Autor die Leser an? Durch die Reproduktion von Klischees nach bewährtem Strickmuster? Schreibt er geil, weil er es richtig zur Sache kommen lässt?
Ich bin zu meinem Kommentar nur gekommen, weil ich über etwas gestolpert bin: Oft geht die Diskussion hier davon aus, dass sich (schwule) Bücher mehrheitlich über Geilheit und Sexversprechen verkaufen – zumindest auf der Ebene der Cover. Über Christine Wunnickes „Missouri“ lese ich aus der Feder von Christian Scheuß (und das ist ein relativ willkürlich herausgegriffenes aktuelles Beispiel):
„Auf allzu intime Details verzichtet die Autorin glücklicherweise dabei, sie belässt es beim Andeuten, Skizzieren. Das macht auch den besonderen Charme der Erzählung aus und erhebt sie zu wirkliche guten schwulen Literatur!“
So ein Satz argumentiert, hebt den Text ins „Literarische“ und begründet dies implizit damit, dass gute Literatur eher Räume in der Fantasie der Leser öffnet als sie zustellt. Er steht aber in merkwürdiger Diskrepanz zur Cover-Debatte, die sich ja aber vor allem an Büchern mit oberflächlichen Sex-and-Love-Versprechen entzündet hat.
Deshalb habe ich dafür plädiert, die Ebenen erst einmal zu benennen, damit die Argumente überhaupt eine Chance haben, zu treffen.
Konnte ich mich deutlicher machen … ?
Lieber Herr Grumbach,
über den provokativ aufgemachten Kommentar habe ich mich natürlich sehr gefreut, bot er mir doch eine hervorragende Vorlage, mich zu äußern. Ich bin also sozusagen sehenden Auges in die aufgestellte Falle getappt 😉
Meine Meinung zu Buchcovern habe ich hier ja schon zum Besten gegeben (sie gefallen mir nur sehr selten, egal, aus welcher Ecke das Buch stammt).
Ich stelle mir hier aufgrund Deiner beiden letzten Kommentare die Frage, nach welchen Kriterien ich Bücher beurteile und muss zugeben, sie ist gar nicht so leicht zu beantworten. Alles, was Du sagst, kann ich unterschreiben. Bei mir ist es so und doch anders. Es ist wie beim Kochen nach Rezept, dem der Koch jedoch eine individuelle Note hinzufügt, der hier etwas weglässt und dort etwas hinzufügt, der die Gewürze anders gewichtet.
Ich ordne Bücher recht gerne nach Genre ein, aber ungerne nach ‚leichter Literatur‘ und ‚gehobener Literatur‘. Für mich ist ein Buch gut oder schlecht erzählt, interssant oder langweilig, es hat interessante und lebendige Figuren oder eindimensionale, konstruierte usw.
Ein Buch wird für mich nicht dadurch spannender, dass es ein ernstes oder dramatisches Thema zum Inhalt hat. Ob leichte oder ernste Muse, immer muss doch der Autor mit seiner Schreibe die Leser für sich gewinnen, sie für jedes Kapitel interessieren, sie immer wieder aufs Neue überraschen und zum Schluss ein überzeugendes Ende bieten. Mit welchen Mitteln er das macht, hängt sicherlich vom Genre ab, in meinen Augen aber weniger davon, ob das Buch den Stempel seicht oder ernst trägt.
Nachdenkliche Grüße
Norma
Liebe Norma,
schön dass wir jetzt beim „Du“ angekommen sind. Dann „greife“ ich auch gleich zum Vornamen!
Ich will meine „normativen“ Forderungen gleich ein bisschen relativieren. Etwas anderes ist ja auch interessant an Rezensionen und findet für mich aber auch wieder zu selten statt: Wenn eine Rezension sich ganz frank und frei macht von irgendwelchen „Pflichtprogrammen“ und nur auf sehr persönliche Art und Weise darstellt, was die/den RezensintIn an dem Buch interessiert hat. Das ist aber vielleicht noch schwieriger: Denn dann ist es mit einem „geil, spannend, anrührend“ ja auch nicht getan. Dann muss die/der RezensentIn – ob in Ich-Form oder nicht – ja wirklich die Hosen herunter und erst einmal sein eigenes Leseinteresse durchschimmern lassen, seine eigenen Vorlieben und dadurch sein Urteil über ein Buch dem Leser nachvollziehbar machen. Nach den Motto beispielsweise: „Eigentliche Aufgabe von Literatur ist doch wohl, Sex auf unmissverständliche Weise darzustellen und dem Leser dabei noch das Gefühl zu geben, es ginge nur um die wirklich zentralen Dinge des Seins – und so gesehen versagt eine Autorin wie Christine Wunnicke auf der ganzen Linie.“
Das wäre ja auch eine Aussage, mit der der Leser etwas anfangen kann – ohne ein weiteres Wort über das Buch! (Es ginge hoffentlich natürlich auch anders! 🙂 )
Nur so viel: Dogmatiker war ich den siebziger und achtziger Jahren. Ich hoffe, ich habe das abgelegt (wozu ich hier ausdrücklich keine Kommentare provozieren möchte)!
Freundliche Grüße,
Detlef.