Keine Angst, auch wenn das Bändchen „Mein Sylt“ betitelt ist: Fritz J. Raddatz hat nicht die ganze Insel gekauft. Nur ein kleines Fleckchen ,2 Meter auf 80 Zentimeter. Da möchte dereinst der Feuilletonist und Ex-„Zeit“-Redakteur die ewige Ruhe finden. Wie er sich an den örtlichen Pfarrer ranschmeißt, um als Nicht-Syltianer dennoch einen der raren Begräbnisplätze auf der Insel zu bekommen, erscheint mir sehr Raddatz-typisch. Vor allem, weil er selbst hier am Ende alles Irdischen und kurz vor Ende des Buches nicht umhin kann, noch einmal vorzuführen. wie bedeutsam er doch ist: Angesichts seiner letzten Ruhestätte (natürlich „mit Wattblick“) zieht ihm im Geiste eine Trauergemeinde vorbei, all
„die Hunderte(n) von Künstlern … die ich in meinem Leben bewirtet hatte, lauter schluchzende Günter Grass und Susan Sontag, Paul Wunderlich und Alberto Moravia, Hubert Fichte, Henry Miller, Jean-Paul Sartre oder Margret Atwood neben Stefan Heym und Stephan Hermlin.“
Wenig verwunderlich, dass man sich angesichts dieses Namedroppings unangenehm an Raddatz‘ Autobiografie „Unruhestifter“ erinnert fühlt. Philipp Tingler erklärt uns, wie es dazu kommen kann, das eigene Adressbuch zu veröffentlichen:
„Denn eines Tages in der Versenkung verschwunden zu sein, vergessen – so wie etwa die Hälfte der Namen in seinem an Namen wahrlich nicht armen Erinnerungsbuch – muss das Schlimmste sein für Raddatz.“
Tinglers Rezension des „Unruhestifters“, eine Auftragsarbeit für die Zürcher Weltwoche, wurde von der Redaktion dann doch nicht gedruckt. Dafür waren wohl die Pointen zu böse und die Entlarvungen zu wenig hymnisch: Nun darf man den wie gewohnt sehr eloquenten Text in Tinglers neuer Prosasammlung „Leute von Welt“ nachlesen:
„Erstens demonstriert dieses Buch, wie unsäglich peinlich Eitelkeit wirkt, die ohne Selbstironie auskommen muss. Selbst wenn die Eitelkeit, wie bei Raddatz, bloß aufgesetzt ist und mühsam einen Mangel an Selbstwertgefühl übertünchen soll. 478 Seiten ohne Witz – was für ein Leben!“
Das genau unterscheidet Raddatz und Tingler.
Eitel sind nun wahrlich beide, selbstverliebt auch. Sprachkünstler zudem. Aber Tingler weiß um seine Eitelkeit und führt sich genüsslich vor. Raddatz erkennt sie allenfalls bei anderen und weiß sie, mit bewundernswert verschroben-verschraubten Formulierungen zu schildern, dass wir es eigentlich mit einem Fall von literarischem Camp zu tun haben. Meine Lieblingsstelle in Raddatz Sylt-Bändchen ist daher die Begegnung mit Arnd Krupp von Bohlen-Halbach in der legendären schwulen Dorfdisco zu Westerland, dem Kleist-Casino:
„Da stand – nein: wurde eher getragen und geschoben von ephebenhaften Karyatiden – eine schwankende Gestalt, sorgfältig geschminkt, doch die Wimperntusche lief übers Pancake-Make-up, unklar ob von den Windböen oder den offensichtlichen Alkoholstürmen. Arnd Krupp von Bohlen-Halbach, die falbe Fellini-Figur. (…) Eine fahle Made im weißen Seidenleinenanzug, drehte sich einsam um sich selber, das einzige Fünkchen, das von ihr ausging, waren die Platinherzchen, die sie bei jeder Umdrehung um sich warf.“
Philipp Tingler „Leute von Welt. Kurze Prosa“, Verlag Kein & Aber, Zürich 2006, 336 Seiten, 19, 90 Euro
Fritz J. Raddatz: „Mein Sylt“. Mit Fotografien von Karin Székessy. Marebibliothek, 156 Seiten, 18 Euro
Fritz J. Raddatz: „Unruhestifter“, List Taschenbuch, 496 Seiten, 9, 95 Euro
kleiner Hinweis zu Raddatz: der Kulturchaot Moritz Pirol beschreibt in „Hahnenschreie“ eine Begegnung mit dem noch lebenden Raddatz (S. 24ff) im KC auf Sylt – very strange!
Ich finde, man sieht schon an den beiden Fotos, wie unterschiedlich die beiden mit ihrer Eitelkeit umgehen.
Beim Lesen von Unruhestifter und den FJR-Tagebüchern :
Ein büschen (wie der Hamburger sagt) viel Champagner. Aber Champagner kein Prosecco. Macht Lust zum Trinken
Die Leiche der schwulen Kanaille F. J. Raddatz sollte man den Hunden zum Fraß vorwerfen. Was er sich gegenüber meinen Eltern geleistet hat, dafür wünschte ich dass es eine Hölle gäbe, in der er nie endende Qualen leidet… und er soll in kurzer Zeit vergessen sein, denn er war nicht das schwarze unter den Fingernägeln meiner Mutter wert, dieses schwule Schwein. So erbärmlich feige und künstlich, wie sein Leben, war auch sein Abgang. Verflucht sei sein Andenken in Ewigkeit.